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Jugendsprache: Aufgebitcht im Fummelbunker abstampfen

Gerade ist ein neues Wörterbuch der Jugendsprache herausgekommen. Den meisten der neuen Worte merkt man irgendwie an, dass sie nicht von der Straße eingesandt wurden, sondern von intellektuellen Zuträgern, die sich mal was ausgedacht haben.

Wer kauft eigentlich Wörterbücher der Jugendsprache? Gerade ist wieder mal eins erschienen, von Pons – und mir wird ganz schwindlig bei der Vorstellung, dass die Leute jetzt darin blättern und anschließend ihre geistige Jugend durch die vorgeschlagenen Begriffe zu unterstreichen versuchen. Das liest sich, als versuchten Zehnjährige, Witze zu erzählen. Wie könnten wir denn mal extrem jugendlich das Arbeitsamt umbenennen? So: Freizeitphilosophentreff!

Ja, wenn Sie bitte das Kreischen und haltlose Auf-dem-Boden-Herumkugeln mal einen Moment einstellen wollen, so reden unsere jungen Menschen angeblich. Entnervt vom Druck der Eltern und Lehrer suchen sie ein Ventil, wollen ganz sie selbst und komplett unter sich sein – und gehen dann aufgebitcht im Fummelbunker abstampfen. Was, man kann sich das irgendwie denken, so viel bedeutet wie: aufgebrezelt in der Diskothek tanzen.

Zugegeben: „Aufgebrezelt“ ist mal irgendwo in der Jugendsprache entstanden und auf dem Weg in Richtung Rentenalter, also dorthin, wo ein paar Leute noch „fein gemacht“ und „Tanzdiele“ sagen würden, das wollen wir hier mal nicht weiter verfolgen. Denn der angeblichen Jugendsprache wohnt die Absicht inne, alle Älteren entschlossen zu diskriminieren, nämlich durch Ernennung zum „Krampfadergeschwader“; offensichtlich drückt sich der Übergang von der Pubertät ins Erwachsenenalter in Gestalt von Krampfadern aus.

Den meisten der neuen Worte merkt man irgendwie an, dass sie nicht von der Straße eingesandt wurden, sondern von intellektuellen Zuträgern, die sich mal was ausgedacht haben. Sollte wirklich mal jemand „Entenparka“ statt „Gänsehaut“ gesagt haben? Oder „Herrenhandtasche“ für ein Sixpack Bier? „Blümchenkiller“ für einen Vegetarier? Uh, Sprache kann so kreativ sein, wenn sie von unseren Witzbolden in den Würgegriff genommen wird.

Haben wir auch was Aktuelles, Alltägliches in der Sprachentwicklung? Wir älteren, computerfixierten Menschen werden bei „Lan“ vermutlich an die ewig vertrackten Netzwerke denken, doch das Wort ist uns längst entrissen worden, das ist der türkische Kumpel, der in die Jugendsprache tatsächlich einwandert: „Isch geh bei Aldi, Lan.“

Angeblich ist alles, was wir uns letzthin angeeignet haben, „chillen“ und „krass“ und „geil“, längst oberpeinlich. Also vergessen Sie das bitte. Oder wollen sie als „AGB-Leser“ gelten? Als hoffnungsloser Streber?

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