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Jugendstudie: Generation Toleranz

Jugendliche fürchten sich nicht vor Zuwanderern – trauen sich aber keine eigene Familie zu. Ein Kommentar

Die Deutschen grämen sich: über die Flüchtlinge, über Pegida, über VW und über den allzu kalten Herbst. Da wirkt die Botschaft aus der Jugendforschung wie ein Antidepressivum: The kids are alright!

Deutschlands Jugendliche lassen sich nicht von den schlechten Nachrichten unterkriegen. Sie zeigen sich so optimistisch wie nie zuvor. Dabei denken sie keineswegs nur an ihr eigenes Fortkommen. Sie interessieren sich wieder stärker für Politik und wollen sich engagieren. Die Jugend ist angenehm sensibel, das artikuliert sich in ihrer wachsenden Angst vor einem Krieg in Europa.

Die Generation Toleranz hält den Älteren den Spiegel vor

Am schönsten aber: Die Jugendlichen fürchten sich nicht vor den Zuwanderern, sondern im Gegenteil vor dem Hass gegen diese. Die Generation Toleranz hält den Älteren den Spiegel vor.

Natürlich haben Eltern und Lehrer einen Grund, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Sie haben einen guten Job gemacht. Das passt zu einem weiteren Befund der neuen Shell-Jugend-Studie: Die überwältigende Mehrheit der Jugendlichen versteht sich mit ihren Eltern prächtig.

Allerdings wirft die Studie doch einige Fragen an Politik und Wirtschaft auf. Die allermeisten Jugendlichen streben keinen unrealistischen Idealen nach, schon gar nicht hegen sie umstürzlerische Fantasien wie manche ihrer Großeltern in jungen Jahren. Zu ihren wichtigsten Lebenszielen erklärt die jetzige Generation vielmehr zwei einfache, geradezu spießige Wünsche: einen interessanten und sicheren Beruf und ein gutes Familienleben. Für den Staat und die Wirtschaft ist eine so gut angepasste Jugend ein Traum. Umso mehr lässt es aufhorchen, wenn der Wunsch nach Kindern bei den Jugendlichen nachlässt, weil er mit den Anforderungen der Arbeitswelt nicht zu vereinbaren scheint.

Familienleben gerät in den Rang einer Utopie

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig ist darüber am Dienstag schnell hinweggegangen. Dabei ist der Befund traurig: In Zeiten von immer mehr befristeten Verträgen und stark verdichteter Arbeit erhält ein Familienleben für die Jugendlichen zunehmend den Rang einer Utopie. Machen Unternehmen und Politik alles richtig?

Die Jugendlichen vertrauen Unternehmen, Parteien und Kirchen nicht. Besonders wenn es um Parteien geht, ist das gefährlich für die Demokratie. Die Jugendlichen engagieren sich lieber flexibel für Nichtregierungsorganisationen oder mit Onlinepetitionen, anstatt sich auf Ochsentour durch verkalkt wirkende Strukturen zu begeben. Wie können die Parteien darauf reagieren?

An den Rändern ist die Lage unerfreulicher

Weniger erfreulich ist die Lage auch, blickt man auf die Jugendlichen an den gesellschaftlichen Rändern. Dazu gehören statistisch betrachtet schon die Ostdeutschen, unter denen es noch immer eine größere Skepsis gegenüber dem politischen System gibt. Sachsens Schulministerin hat selbst zugegeben, dass in ihrem Land eine demokratische Schulkultur noch nicht überall gut genug gelebt wird.

Außerdem strahlen Jugendliche aus den unteren Schichten kaum Zuversicht aus. Die Forscher stellen sogar eine zunehmende soziale Spaltung zwischen den Jugendlichen fest. Auch das muss die Politik wahrnehmen. Bei aller Euphorie über die deutsche Jugend.

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