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Meinung: Jugoslawien: Die Sehnsucht nach Normalität

Auf dem Balkan werden nach Serbien auch in Kosovo die Karten neu gemischt. In Belgrad musste Milosevic gehen, in Pristina feiert der moderate Ibrahim Rugova ein Comeback.

Auf dem Balkan werden nach Serbien auch in Kosovo die Karten neu gemischt. In Belgrad musste Milosevic gehen, in Pristina feiert der moderate Ibrahim Rugova ein Comeback. Beides kann zu einer Entspannung in der Region beitragen. Die Rebellenarmee, die UCK, war letztlich ein Produkt der Konfrontationspolitik von Slobodan Milosevic. Jetzt haben auch die Ex-"Befreiungskämpfer" ausgedient. Sie haben verloren - nicht den Kampf gegen Serbien, sondern den demokratischen Popularitätstest.

Die Mitstreiter von Hashim Thaci, dem Ex-Kommandanten der UCK, zahlen den Preis für die Arroganz, mit der sie im Schutz der Nato lukrative Einnahmequellen für sich in Anspruch genommen haben. Die arbeitslosen Kämpfer brachten sich schnell als Schutzgelderpresser in Verruf. Diese Macht-Arroganz rächt sich jetzt - die Kosovaren sind in Scharen zur zivilen Alternative zurückgekehrt: Die Liga von Ibrahim Rugova hat den passiven Widerstand der Kosovo-Albaner jahrelang angeführt, bis die UCK dem Anhänger der Gandhi-Strategie Anfang 1998 die Initiative aus der Hand nahm. Rugova hat nun für seinen Wahlsieg nicht viel getan. Er hat einfach geschwiegen und abgewartet - und von der Sehnsucht der Kosovaren nach Normalität profitiert.

Auch die Vertreter der internationalen Gemeinschaft werden sich wieder umorientieren: Vor allem die US-Regierung hat die letzten zwei Jahre Thaci als Wortführer der Rebellen gehätschelt und den Ex-Kommandanten salonfähig gemacht. Der Stern des hofierten "Befreiungskämpfers" ist schnell wieder verglüht. Thaci hat seine "Pflicht" getan und praktisch als Befehlsempfänger der US-Administration ausgeführt, was von ihm erwartet wurde: Er hat gegen Widerstand in den eigenen Reihen mehr oder weniger erfolgreich die Entwaffnung der Rebellen durchgesetzt und der Truppe die Umwandlung in ein ziviles "Schutzkorps" schmackhaft gemacht.

Jetzt ist Rugova wieder der Ansprechpartner - so zynisch kann Politik sein. Während der zehn Jahre des passiven Widerstandes der Kosovo-Albaner gegen die serbische Besatzungsmacht zeigte der Westen dem Pazifisten die kalte Schulter - insgeheim war man froh, dass Rugova die Kosovo-Albaner unter Kontrolle hielt und den Status Quo zementieren half. Die UCK war allerdings nicht nur das Produkt von Milosevic. Sie nährte sich auch aus der Frustration über den Status Quo, den Rugova perfekt verkörperte.

Die neue Führung in Belgrad wird in nicht allzu ferner Zukunft mit Rugova eher eine Basis finden als mit den Vertretern der Ex-Rebellen. Jugoslawiens Präsident Kostunica will zwar die von der Protektoratsbehörde organisierte Wahl nicht anerkennen. Doch diese Kritik ist vor allem für das serbische Publikum bestimmt. Auch Kostunica muss über seinen Schatten springen und mit kreativeren Vorschlägen kommen, als nur immer wieder die Rückkehr der serbischen Polizei in den Kosovo zu fordern. Rugova ist zwar ein umgänglicherer Gesprächspartner als Thaci. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Lager der Kosovo-Albaner geschlossener denn je hinter dem Ziel der Unabhängigkeit steht.

Und der Westen? Er hat eine Mitverantwortung für die Eskalation der Krise im Kosovo, die letztlich zur Nato-Intervention führte. Denn er hat den passiven Widerstand gegen das serbische Apartheidsregime zehn Jahre lang ignoriert. Erst als die UCK auftauchte, zeigte man sich alarmiert. Das darf der Westen nicht wiederholen. Er muss vielmehr in der Frage des künftigen Status für den Kosovo schnell Farbe bekennen. Eine Rückkehr unter die Kontrolle Belgrads wäre nur gegen die geschlossene Front der Kosovo-Albaner durchzusetzen. Es darf in der Debatte über den Status des Kosovo kein Tabu geben. Von einer Föderation von Serbien, Kosovo und Montenegro bis zur vollen Unabhängigkeit muss alles zur Debatte stehen.

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