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Sebastian Edathy.

© dpa

Juristisches Verfahren: Der Fall Edathy und seine öffentliche Bedeutsamkeit

Der Anfangsverdacht im Fall Sebastian Edathy scheint sich zu bestätigen. Ein Exempel für den Umgang mit Politikern ist die juristische Aufarbeitung trotzdem nicht - allenfalls wird das Verhalten eines Mannes zu studieren sein, der ein Problem hat.

Der Fall Sebastian Edathys ist zu ernst, als dass andere außer ihm selbst darüber Witze machen sollten. Doch einer hilft, das Problem hinter der Anklage zu verstehen: Die Polizei kommt zu einem Bauern auf den Hof und will ihn festnehmen, weil er schwarz Alkohol brennen soll. Er bestreitet. Im Keller steht eine Destilliermaschine. „Sie haben eine Vorrichtung zum Schnapsbrennen, also brennen Sie auch Schnaps“, sagt der Polizist. „Wenn es danach geht“, sagt der Bauer, „können Sie mich auch wegen Vergewaltigung festnehmen. Die Vorrichtung dafür habe ich auch.“

Edathy hatte sich Filme mit Kindern besorgt, die nicht strafbar sind. Darauf gründeten die Ermittler einen Anfangsverdacht, dass er auch strafbares Material besitzt. Ihr Argument: „kriminalistische Erfahrung“. Kritiker sehen darin einen Fundamentalverstoß gegen Rechtsstaatsgrundsätze. Von legalem Verhalten dürfe nicht auf illegales geschlossen werden. Edathy hofft auf seine Verfassungsbeschwerde. Ob sie ihm hilft? Selbst wenn die Karlsruher Richter befinden, dass die ersten Durchsuchungen bei ihm rechtswidrig waren, würde sein Prozess davon aller Voraussicht nach kaum berührt.

Es war wohl keine Willkür im Spiel, und die Justiz geht mit Beweisverwertungsverboten sparsam um. Wie es bisher scheint, könnten die Ermittlungen gerade als Beleg dafür dienen, dass sich die „kriminalistische Erfahrung“ bestätigt hat. Zumal diese Erfahrung einen rationalen Kern besitzt. Wen der Anblick spielender nackter Kinder erregt, der möchte diese Erregung oft noch steigern. Wer süchtig nach Zigaretten ist, ist deshalb aber noch lange nicht süchtig nach verbotenem Kokain.

Laut Anklage lud Edathy Kinderpornos auf sein Bundestagslaptop

Rückblickend versteht man nun, in welcher Lage sich der Abgeordnete befunden haben muss. Laut Anklage lud er die Kinderpornos auf sein Bundestagslaptop, unmittelbar bevor bekannt wurde, dass die kanadische Polizei einen Händlerring sprengte, bei dem auch Edathy bestellt hatte. So ließ er seinen Anwalt bei Ermittlungsbehörden herumtelefonieren, während in der SPD ein Programm ablief, ihn kaltzustellen. Sebastian Edathy ist nun Angeschuldigter eines Strafverfahrens. Wird die Anklage zugelassen, ist er Angeklagter. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Er hat auch alle Freiheit, sich als Opfer einer wildgewordenen Justiz zu präsentieren.

Ansatzpunkte gäbe es, nur weniger in den Verdachtsfragen. Wieder ist es die Staatsanwaltschaft Hannover, die schon mit ihrer Anklage gegen Christian Wulff auf den Bauch gefallen war. Und wie damals klagt sie wegen angeblicher öffentlicher Bedeutsamkeit der Sache zum Land- statt zum Amtsgericht an. Bei Wulff war das zu rechtfertigen, weil an seinem Fall Korruptionslinien in der Spitzenpolitik zu studieren waren. Alles, was es bei Edathys Prozess zu sehen geben würde, ist ein Mann, der ein Problem hat.

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