zum Hauptinhalt

Meinung: Justitia ist doch nicht blind Alain Juppé wurde verurteilt – und bleibt doch in der Politik

Frankreichs ehemaliger Premierminister Alain Juppé bleibt also in der Politik. Erstaunlich, wie es Frankreichs Politikern, egal welcher Couleur, immer wieder gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Frankreichs ehemaliger Premierminister Alain Juppé bleibt also in der Politik. Erstaunlich, wie es Frankreichs Politikern, egal welcher Couleur, immer wieder gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Korruptionsaffären wie die um den Ex-Premier und Parteichef der konservativen Regierungspartei sind in der jüngeren Geschichte der französischen Politik grundsätzlich zugunsten der jeweils Regierenden „gelöst“ worden. Die Gerichte haben immer „freundlich“ geurteilt, die Verantwortlichen der zweiten oder dritten Reihe ins Visier genommen und die eigentlichen Sünder laufen lassen.

So war es unter Präsident Mitterrand, als es um HIV-verseuchte Blutkonserven ging, später um die korrumpierenden Machenschaften des staatlichen Ölkonzerns Elf-Aquitaine unter Außenminister Roland Dumas und noch später, in der Regierungszeit des Sozialisten Lionel Jospin, um illegale Berateraufträge des damaligen Wirtschaftsministers Dominique Strauss-Kahn. Sie alle kamen milde davon.

Diesmal lagen die Dinge anders: Zum ersten Mal hat es ein Gericht gewagt, in einer schon lange schwelenden Korruptionsaffäre um Scheinanstellungen im Pariser Rathaus den Verantwortlichen, Alain Juppé, so zu verurteilen, wie es sich gehört: Nämlich hart. Und sofort empörten sich nicht nur das betroffene Lager, die Konservativen rund um Staatspräsident Chirac, sondern sogar etliche mitfühlende Sozialisten über das angeblich zu harte Urteil. Die Unabhängigkeit der Justiz scheint ihnen nicht so wichtig zu sein.

Die Alteingesessenen um Chirac und Regierungschef Jean-Pierre Raffarin brauchen Juppé, um ihre Macht zu erhalten. Sie haben nun alles getan, um den Ex-Premier wenigstens bis zum Berufungsurteil zu retten. Zeit, um seine Nachfolge an der Spitze der Partei bis zum Parteitag im Herbst 2004 zu klären; Zeit, um den jungen, ungeliebten Ehrgeizling, Innenminister Nicolas Sarkozy, als neuen Parteivorsitzenden zu verhindern. Zeit aber auch, um einen möglichen Justizskandal aufzudecken. Denn das für Juppé zuständige Gericht war offenbar großem Druck von außen ausgesetzt. Es wurde ausspioniert, es gab Einbrüche in Büroräume der Richter, in denen auch Abhörgeräte entdeckt wurden. All das kam seltsamerweise erst nach dem Juppé-Urteil ans Licht, und erst nach entsprechenden Medienberichten.

Frankreich, eine Bananenrepublik? Die französischen Konservativen hätten allen Grund, mit ihren Wählern ehrlicher umzugehen. Weil sie dies offenbar nicht begreifen, stehen ihnen etliche Erschütterungen erst noch bevor. Die nächste kündigt sich bereits an: Keine Partei freut sich sechs Wochen vor den Regionalwahlen mehr über die jämmerliche Juppé-Rettung als die rechtsradikale Front National.

Sabine Heimgärtner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false