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24. Mai 2011: Für die Verteidigung ist die Sache klar: Jörg Kachelmann muss freigesprochen werden. "Es gibt nicht einen Sachbeweis, auf den sich die Anklage stützen könnte", sagt AnwaltJohann Schwenn in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Mannheim. Aus "Rache und Hass" habe die Ex-Freundin Jörg Kachelmann bewusst zu Unrecht belastet, erklärt Verteidigerin Andrea Combé.

© dpa

Kachelmann-Prozess: Kein Irrtum möglich

In Mannheim findet am Dienstag der spektakulärste Strafprozess der vergangenen Jahre ein vorläufiges Ende. Wer Täter ist und wer Opfer in diesem Prozess, mag unklar bleiben. Sicher ist, hier kämpft eine Lügnerin gegen einen Spieler.

Die öffentliche Hauptverhandlung über Schuld oder Unschuld Jörg Kachelmanns im Gerichtssaal sowie jene in Talkrunden, Internet, Radio und Presse dauerte Monate und beschäftigt Millionen. Jetzt das Urteil. Manche Diskussion dürfte damit erst beginnen.

Plot und Protagonisten allein können das kaum rechtfertigen. Ein zuletzt eingefahren agierender Fernsehmoderator und Wolkenpriester, eine vergeblich auf ihn hoffende Frau, eine fragliche halbe Stunde in irgendeiner Schwetzinger Wohnung – so what?

Doch Vergewaltigungsverfahren mit Prominenz, der Fall Strauss-Kahn erweist es nur neu, dienen der Gesellschaft als Folie, um darauf ihre sich wandelnden Geschlechts- und Rollenbilder zu aktualisieren. Sex, wer hätte es gedacht, kann in dieser Hinsicht tatsächlich noch politisch sein. Nur wirkt er nicht mehr, wie im Aufklärungsrausch der Sechziger und Siebziger, revolutionär, sondern administrativ. Die Lust von damals mündet in Elterngeld und Quotenstreit. Aufregender wird es nur, wenn es kriminell wird.

Verzweifelte Geliebte oder rachsüchtige Mätresse? Echter Kerl oder brünstiger Schimpanse? Ein jeder und eine jede verortet sich auf den Skalen der Sex- und Rollenverständnisse, und er oder sie muss dafür die Hose herunterlassen, vor sich selbst oder auch vor anderen; so war und ist es auch bei Kachelmann, so kommt es zu den erstaunlich gefühligen Polaritäten für und gegen den Angeklagten, für und gegen die Zeugin, die ihn belastet.

„Unschuldig“-Befürworter sehen ein durchtriebenes Weib ihr Hexenwerk vollenden, das, wie abstoßend, zuvor mit ihrer devoten Abhängigkeit von der Kachelmanngunst und im naiven Glauben an seine Heiratsversprechen eine ganze Generation emanzipierter Frauen mitverriet. Wer auf „schuldig“ plädiert, erkennt dagegen einmal mehr das zerstörerische Wirken entgrenzter Männlichkeit, die gewaltsam nimmt, was sich ihr nicht freiwillig bietet. Kein Wunder, dass der lebhafte Streit um die publizistische Deutungshoheit des Falls vornehmlich von Frauen ausgetragen wurde.

Das nun folgende Urteil, ob Schuldspruch oder Freispruch, sagt zu alldem: nichts. Zu bestaunen gibt es einen gründlich geführten Indizienprozess nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung. Nichts Neues, nichts Ungewöhnliches; Justizroutine. Kachelmanns Anwälte haben das Festhalten der Staatsanwaltschaft an den Vorwürfen erfolgreich skandalisiert. Es gibt andererseits Hinweise auf eine Tat, die durchaus, wenn nicht Strafe, so doch Anklage und Hauptverhandlung rechtfertigen konnten. Umgekehrt stimmt, dass es sich bei dem vermeintlichen Opfer um eine notorische Lügnerin handelt, die wohl bis heute lügt – jedoch nicht zwingend auch bei ihren Aussagen zum angeblichen Tatgeschehen. Und man sollte nicht vergessen, Gutachter vor Gericht sind, gleich welcher Disziplin, niemals Verkünder forensischer Wahrheit. Das sind ausschließlich die Richter. Es droht also schlimmstenfalls eine falsche Entscheidung in Mannheim. Jedoch kein Justizirrtum, kein fahrlässiges Fehlurteil. Man sollte nicht Gewissheit behaupten, wo keine ist.

Und Kachelmann? Er inszeniert sich vor dem allseits erwarteten Freispruch als Medienopfer, sogar mit dem Segen der Staatsanwälte, die ihn deswegen mit einer milderen Strafe bedenken wollen. Natürlich ist mit ihm hart, unfair, teils rechtswidrig umgegangen worden. Dennoch nimmt er nun eine absurde Pose ein, kompromittierte er sich per TV-Interview doch selbst mit seiner Schwärmerei für seine Knastfreundschaften, ließ mit den Ermittlungsakten die ganze schlüpfrige Geschichte der Presse feilbieten, steckte sich einen Ring an den Finger und beschwerte sich über Ehespekulationen, obwohl diese zutreffend waren. Wer Täter ist und wer Opfer in diesem Prozess, mag unklar sein und bleiben. Sicher ist, hier kämpft eine Lügnerin gegen einen Spieler. Mitleid und Einfühlung, mit der einen wie mit dem anderen, kann man sich sparen. Es gibt andere, die verdienen es eher.

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