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Matthias Kalle.

© Privat

Kalle hat verstanden: Die Sprache unserer Urahnen und die Talkshows von heute

Alle heute bekannten Sprachen gehen auf denselben Vorläufer zurück, der nach einem sehr einfachen Muster funktioniert. Matthias Kalle erklärt in seiner Kolumne, was das mit Bastian Sick und Reinhold Beckmann zu tun hat.

In der vergangenen Woche habe ich mich hier vielleicht ein wenig zu weit und zu schief aus dem Fenster gehängt, als ich mal eben im Vorübergehen den Naturwissenschaften an und für sich die Existenzberechtigung absprach. Heute werde ich, nach guter alter Kolumnistentradition, alles zurücknehmen und das Gegenteil behaupten. Warum? Darum:

Am Donnerstag las ich eine Meldung, in der stand, dass die beiden Sprachforscher Murray Gell-Mann und Merritt Ruhlen herausgefunden haben wollen, dass alle heute bekannten Sprachen auf ein und denselben Vorläufer zurückgehen, nämlich auf eine Sprache, die dem Subjekt-Objekt-Verb-Muster folgt. Ich das erklären.

Die beiden Forscher untersuchten 2135 Sprachen (bitte jetzt nicht ausflippen vor Verblüffung, das sind längst nicht alle Sprachen der Welt, diese Zahl schwankt zwischen 6000 und 7000) und versuchten, deren Stammbäume zu analysieren. Wie sie das im Einzelnen taten, dafür fehlt mir jedes Verständnis, sie fanden aber heraus, dass immerhin über 1000 Sprachen immer noch dem Subjekt-Objekt-Verb-Muster folgen, unter anderem die türkische Sprache und die japanische, aber nicht unsere oder die englische, weil die meisten indogermanischen Sprachen dem Muster Subjekt-Verb-Objekt folgen. Ich schreibe den Text mal weiter.

So wie wir unsere Sätze bauen, findet man das in 770 Sprachen, 164 Sprachen bilden ihre Sätze nach dem Muster Verb-Subjekt-Objekt ("Lesen sie Text weiter") und 40 Sprachen nutzen das Schema Verb-Objekt-Subjekt ("Lesen Text sie"). Da die Mehrheit der Sprachen aber das Subjekt-Objekt-Verb-Muster bevorzugt, gehen die Forscher davon aus, dass unsere Urahnen so ihre ersten Sätze bildeten. Wusste ich nicht, fand ich interessant.

Ich weiß leider auch immer noch nicht, ob Bastian Sick das weiß, obwohl der doch am Donnerstagabend zu Gast war in der Talkshow von Reinhold Beckmann. Sick gilt ja vielen als "Sprachpapst", er begann seine Karriere mit einer kleinen Kolumne auf "Spiegel" Online, die irre oberlehrerhaft daher kam, dann durfte er das Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" schreiben, und seitdem schreibt er nur noch Bestseller über die deutsche Sprache und tritt vor Hunderten von Menschen auf, um sie aufzuklären über die Fallstricke des Deutschen.

Die Sendung war langweilig, Beckmann hatte Schulklassen ins Studio eingeladen, halbherzig wurde ein Deutschtest durchgeführt, als weitere Gäste waren der ehemalige Chefsprecher der Tagesschau Jo Brauner eingeladen und - warum auch immer - Michael "Bully" Herbig und eine holländische Schauspielerin, letztere vielleicht deshalb, weil sich jeder Deutsche plötzlich in seiner Sprache zu Hause fühlt, wenn Holländer mit diesem lustigen Akzent deutsch sprechen. Vor allem aber redete Sick, er erklärte und belehrte, er korrigierte und deklinierte und Beckmann behandelte seinen Gast, als ob der ihm gerade verriet, wo sich Bundeslade, Heiliger Gral und das Bernsteinzimmer befänden, dabei wäre es so schön gewesen, wenn die Redaktion jemanden eingeladen hätte, der Sick mal erklärt, dass gutes Deutsch nicht bedeutet, dass man weiß, dass es in der Pluralbildung kein Apostroph gibt, sondern, dass gutes Deutsch auch bedeutet, so zu reden, so zu schreiben, dass man die Menschen unterhält, verblüfft, anrührt, informiert.

Irgendwann schaltete ich um und sah, dass der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach bei Markus Lanz zu Gast war. Bosbach musste sich einiges anhören in den vergangenen Wochen, er wurde von seinem Parteifreund Pofalla auf das Übelste beleidigt, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was sich Bosbach von Lanz anhören musste, der doch allen Ernstes meinte, er, Bosbach, müsse eigentlich sofort zurücktreten, und damit bewies, dass er vom Sinn und Zweck eines Abgeordneten, der von seinem Wahlkreis in den Bundestag gewählt wurde, um da seine Arbeit zu machen, keine Ahnung hatte. Und in diesem Zusammenhang fiel mir die andere Wissenschaftsmeldung der Woche ein, die mich begeisterte: Australische Forscher haben herausgefunden, dass eine Stunde Fernsehschauen die Lebenserwartung um 21 Minuten verkürzt. Wenn das stimmen sollte, dann freue ich mich jetzt schon auf folgende Einblendungen während einer Sendung: "Markus Lanz schadet ihrer Gesundheit." Das würde ich mir sofort angucken.

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