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Matthias Kalle.

© Privat

Kalle hat verstanden: Mit lustigen Büchern gegen Bildungslücken

Man muss schon ein Genie sein, um den Nobelpreis zu kriegen. Aber muss man die Preisträger kennen, um als gebildet zu gelten? Matthias Kalle steht zu seinen Bildungslücken - und wehrt sich gegen die Lehrbuch-Industrie.

Und schon wieder ging alles schief: Steve Jobs, der Gründer von Apple, starb mit 56 Jahren, einen Tag nachdem sein Nachfolger Tim Cook nicht das iPhone 5 vorgestellt hat, sondern lediglich das iPhone 4S, was mir allerdings egal ist, denn mein Vertrag läuft noch bis zum Frühjahr, wer weiß, was es dann so gibt. Vielleicht gibt es dann ja den Ausbau der A 100, denn Berlin bekommt keine rot-grüne Regierung, sondern wohl eine rot-schwarze, aber das habe ich zum Beispiel weder so gewollt, noch so gewählt, und jetzt weiß ich gar nicht, wo oder bei wem ich mich beschweren soll. Aber ich bin ja auch gar kein Querulant, denn sonst müsste ich ja jetzt endlich mal einen Brief schreiben an das schwedische Nobelpreiskomitee, in dem dann drin steht, dass die natürlich den Literaturnobelpreis geben können, wem sie wollen, dann aber bitte nicht so tun dürfen, als sei dieser Preis wichtig oder sage etwas über literarische Leistungen aus, denn schließlich hat in diesem Jahr wieder nicht Philip Roth den Preis erhalten, sondern Tomas Tranströmer, denn „Tranströmer ist einer der größten Poeten unserer Zeit. Seine dichte Bildersprache verschafft uns einen neuen Zugang zur Realität.“

Aha. Wusste ich nicht. Bis Donnerstagmittag kannte ich Tranströmer nicht, und jetzt fühle ich mich schlecht, weil ich vermute, dass der tiefere Sinn der Auszeichnung daran liegt, den Menschen ihre mangelnde Bildung zu beweisen, dabei kannte ich bis auf Jean-Marie Gustave Le Clézio (2008) ja alle Literaturnobelpreisträger, denn zum Beispiel bei Trivial Pursuit kann man mich mit den braunen Fragen nicht schocken – bei denen bin ich firm.

Allerdings kann man in meinem Fall in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften nicht von Lücken sprechen, denn Lücken zu haben bedeutet ja, dass da links und rechts was wäre. Bei mir ist da nichts, null, nothing. Und das war von Anfang an so, und ich glaube, so wie manchen Menschen ein Enzym fehlt und sie deshalb keinen Alkohol vertragen, fehlt mir irgendetwas anderes, dass mich den Sinn und den Zweck von Mathematik und Naturwissenschaften nicht erkennen lässt. Schlimmer noch: Ich glaube, dass nicht die Religionen Unheil über diese Welt gebracht haben (ich glaube nämlich, dass das Gegenteil richtig ist, aber das gehört hier jetzt nicht her), sondern Mathematik und Naturwissenschaften. Ohne diese beiden Dinger gäbe es doch weder eine Finanzkrise, noch die Atombombe noch Drogen noch andere unangenehme Sachen (nichtnachprüfbare Theorie, deshalb höchst unwissenschaftlich).

Das Schlimmste aber, dass diese Disziplinen hervorgebracht haben, sind Bücher, die uns all das „lustig“ erklären wollen. Am vergangenen Samstag hörte ich im Radio einen kurzen Bericht über ein Buch namens „Spiel, Physik und Spaß – Physik zum Mitdenken und Nachmachen“. Das Buch will auffordern „sich zur spielerischen Annäherung an physikalisches Beschreiben und Argumentieren verführen zu lassen und zu sehen, dass Spaß und Physik keinesfalls Gegensätze sind!“ Steht so auf dem Buchrücken. Natürlich mit Ausrufezeichen, dem lautesten aller Satzzeichen, und natürlich war mein Physiklehrer auch ein Brüller, während ich meine Deutsch- und Geschichtslehrer vor lauter Sanftmut in der Stimme kaum verstand.

In den vergangenen Jahren sind allerlei solcher Bücher erschienen, so zum Beispiel „Sagt die 0 zur 8: „Schicker Gürtel“ - Mathematik für alle Lebenslagen“ oder „Wie man aus 92 Elementen ein ganzes Universum macht“, das ist nämlich, laut Werbetext, „das perfekte Buch für Chemie-Muffel. Mit witzigen Experimenten leicht verständlich geschrieben.“ Nun lese ich aus Prinzip keine Bücher die mit Hilfe witziger Experimente geschrieben wurden, sondern mit Sinn und Verstand.

Und deshalb kommt wohl ein Buch dieses Herbstes auch nicht für mich in Frage: „Die Märchen-Apotheke – Grimms Märchen als Heilmittel für Kinderseelen“. Die Herausgeberin des Buches ist Stephanie zu Guttenberg, die Frau von Karl-Theodor. Humor haben sie ja.

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