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Auch vor dem Bundesinnenministerium in Alt-Moabit zogen Polizisten mit Maschinenpistolen auf - doch nicht nur hier.

© dpa

Kampf gegen den Terror: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Terroralarm!, brüllt die Politik und die Medien greifen das auf. Was soll ich tun?, fragt der Bürger. Nichts anderes als sonst, keine Panik!, lautet die Antwort. Aber warum brüllt ihr dann überhaupt? Ein Dilemma der Demokratie.

Zu den obersten Aufgaben von Politikern gehört es, die Bürger zu schützen. Das Versprechen, dies zu tun, begründet sogar die Legitimität einer Herrschaft. Nicht allein der englische Staatstheoretiker und Philosoph Thomas Hobbes meinte, der Souverän könne nur so lange Gehorsam beanspruchen, wie er in der Lage sei, ein Mindestmaß an Sicherheit zu garantieren. Versage er darin, dürften die Bürger Widerstand leisten.

Diese hochsensible Balance zwischen Herrschaft und Schutz steht im Fadenkreuz international operierender Terroristen. Sie wissen, dass autoritäre Regime sich nicht besonders legitimieren müssen. Demokratien indes, in denen Gefühle von Massenmedien verstärkt werden, halten Eruptionen durch wahllose, massenhafte Ermordung von Zivilisten besonders schwer aus. Auch deshalb markierte der 11. September 2001 einen Wendepunkt. Wie tief die Erschütterung in den USA war, lässt sich an den Reaktionen ermessen – zwei Kriege, Guantanamo, Patriot Act, Heimatschutzministerium. Hyperaktivität sollte das Gefühl der Verwundbarkeit kompensieren.

Den Deutschen sind solche Erfahrungen im vergangenen Jahrzehnt erspart geblieben. Sie sind relativ unvertraut mit Warnungen, wie sie jetzt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière kamen. Deshalb setzen solche Warnungen oft eine skurrile Reflexspirale in Gang: Alarm!, brüllt die Politik. Was heißt das, was soll ich tun?, fragt der Bürger zurück. Nichts anderes als sonst, bloß keine Panik!, heißt die Antwort. Aber warum brüllt ihr dann überhaupt?

Aus diesem Dilemma gibt es kein Entrinnen. Der Politiker brüllt, damit ihm im Nachhinein zumindest keiner vorwerfen kann, nicht gewarnt zu haben. Außerdem hofft er auf eine erhöhte Wachsamkeit der Bürger, die bei der Terrorbekämpfung durchaus nützlich sein kann. Gleichzeitig muss er so unhysterisch wie möglich wirken, um den Eindruck zu vermitteln, alles sei unter Kontrolle. Der Bürger wiederum will Handlungsanweisungen. Er will wissen, was konkret er ändern, tun oder lassen soll. Unspezifische Warnungen, die das offenlassen, nützen ihm nichts, manchmal ärgern sie ihn.

Wenn dann, wie es bei Terrorwarnungen zum Glück üblich ist, keine Bombe explodiert, wird schnell der Vorwurf des Alarmismus laut. Denn das ist das zweite Dilemma des Politikers: Er wird nie für etwas gelobt, was ausbleibt, ein Anschlag zum Beispiel, aber heftig für das getadelt, was nicht vereitelt wurde. Im Bereich der Sicherheit kann er trotz ausgeklügelter Maßnahmen nicht gewinnen, weil es keinen Dank für die ungestörte Fortsetzung der Normalität gibt. Unser tägliches Leben – das ist selbstverständlich.

Doch das ist es leider nicht. Bloß korreliert unser abstraktes Wissen über die Terrorgefahr sehr selten mit unseren Alltagserfahrungen. Hier ein paar Polizisten mehr, dort eine noch gründlichere Kontrolle am Flughafen. Und der einzige, oft als unbefriedigend empfundene Maßstab, um zu ermessen, ob das notwendig ist, bleibt das Wort eines Ministers. Ihm müssen wir vertrauen, weil wir es selbst nicht besser wissen können. Eine kritische Öffentlichkeit indes verlangt nach mehr, nach Kontrolle, Beweisen. Die aber gibt es nicht, weil sonst die Arbeit der Geheimdienste gefährdet wäre. Auch dieses Dilemma löst sich nicht auf.

Im Kampf gegen den Terror braucht eine Regierung Vertrauensvorschuss. Den sollten die Bürger ihr gewähren. Allerdings behalten sie das Recht, Missbrauch zu ahnden. Beim Terror hören politische Nützlichkeitserwägungen auf.

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