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Meinung: Kampf gegen Terror: Rastern und reden

Der Anspruch erscheint vermessen: Aus mehreren Millionen Menschen sollen wenige Verdächtige herausgefiltert werden. Dennoch halten Experten in den Sicherheitsbehörden die bundesweite Rasterfahndung für ein durchaus taugliches Instrument zur Eindämmung der Gefahr islamistischen Terrors.

Von Frank Jansen

Der Anspruch erscheint vermessen: Aus mehreren Millionen Menschen sollen wenige Verdächtige herausgefiltert werden. Dennoch halten Experten in den Sicherheitsbehörden die bundesweite Rasterfahndung für ein durchaus taugliches Instrument zur Eindämmung der Gefahr islamistischen Terrors. Die Hoffnungen sind kühn: Etwa 3,2 Millionen Muslime leben in Deutschland, die Zahl der möglicherweise auf einen Terrorakt hinwirkenden "Schläfer" wird in den Sicherheitsbehörden auf 100 bis 200 geschätzt. Manchmal heißt es auch, vielleicht gebe es weniger - niemand weiß Genaues. So scheint sich denn auch die Zahl der Argumente, die ein Durchrastern der Muslime begründen könnten, auf ein einziges zu reduzieren: Mit den Anschlägen in New York und Washington ist eine zuvor unvorstellbare Dimension der Gefahr islamistischen Terrors deutlich geworden - und damit die Notwendigkeit, mit dem für einen Rechtsstaat größtmöglichen Aufwand die Hintermänner aufzuspüren und weiteren Anschlägen vorzubeugen.

Dagegen lässt sich wenig sagen. Der islamistische Terrorismus, wie er nun offenkundig die USA getroffen hat, ist nicht weniger als eine Perfektion extremistischer Kleingruppengewalt. Schlimmer ist nur der Massenmord staatlicher Regime. So erzwingt die neue Qualität, die der Angriff auf World Trade Center und Pentagon in der Geschichte des Terrorismus darstellt, angemessene Antworten. Die Rasterfahndung zählt, mangels Alternative, dazu. Trotz der Erinnerung an die "bleierne Zeit" der 70er Jahre, an das Reizklima während der härtesten Terroraktionen der RAF. Doch diese Epoche lässt sich mit der aktuellen Lage kaum vergleichen. Damals konnte die Rasterfahndung als Element einer Hetzjagd auf nonkonformistische Linke erscheinen, geschürt von Scharfmachern in den etablierten Parteien. Unter Generalverdacht stand jeder, der in einer Langhaarigen-Wohngemeinschaft lebte. Die Polizei nahm sogar "Normalbürger" ins Visier, wenn sie ihre Stromrechnung bar bezahlten. Das schien absurd - könnte aber heute, mit anderen Zielvorgaben, notwendig sein.

Diese Erkenntnis ist bitter. Gelingt einem Netzwerk von Fanatikern, die selbst vor dem eigenen Leben keinen Respekt mehr kennen, indirekt die Demontage der Liberalität? Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus war ja zumindest theoretisch eine Hoffnung möglich: dass staatliche Repression dank des Aufstands der Anständigen auf ein Normalmaß beschränkt bleiben kann. Doch solche Denkmodelle wirken angesichts der Schreckensbilder von New York und Washington naiv. Massendemonstrationen am Brandenburger Tor, der Protest vieler Initiativen, ja sogar ein Schulterschluss von Gewerkschaftern und Unternehmern, wie jetzt gegen einen NPD-Aufmarsch am Kurfürstendamm, werden Selbstmordattentäter nicht beeindrucken.

Die Rasterfahndung bleibt ein Eingriff in die Bürgerrechte. Er lässt sich halbwegs verträglich gestalten, wenn die Zivilgesellschaft ihn engagiert begleitet: durch intensive Kommunikation mit den Betroffenen. Das mag zynisch klingen - und ist doch dringend notwendig. Den in Deutschland lebenden Muslimen muss vermittelt werden, dass die Rasterfahndung eine Ermittlungsmethode ist und keine Stigmatisierung sein soll. Einige Politiker versuchen denn auch, mit Besuchen in Moscheen Solidarität gegen die befürchtete Zunahme von Ressentiments gegen Muslime zu demonstrieren. Nur wenn die Demokraten ihre Verantwortung für die "Fremden" begreifen, erhalten sie sich die Chance auf Liberalität. Und können die Rasterfahndung glaubwürdig einordnen.

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