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Meinung: Kanzler, welcher Kanzler?

Von Alfons Frese Der deutschen Autoindustrie geht es mit Ausnahme der Firma Opel gut, sehr gut sogar. Das Geschäftsjahr 2001 haben VW und Mercedes, BMW und Porsche mit Rekordgewinnen abgeschlossen.

Von Alfons Frese

Der deutschen Autoindustrie geht es mit Ausnahme der Firma Opel gut, sehr gut sogar. Das Geschäftsjahr 2001 haben VW und Mercedes, BMW und Porsche mit Rekordgewinnen abgeschlossen. Das wissen die Arbeitnehmer in den Autofirmen, deshalb fordern sie zu Recht ihren Anteil am Erfolg.

Das weiß wiederum die IG Metall, und deshalb ruft sie ihre Mitglieder bei Daimler und Porsche zum Streik auf. In der vergangenen Nacht begann der Arbeitskampf im Mercedes-Werk Sindelfingen, die Fabriken in Rastatt und Untertürkheim werden folgen, und vielleicht sogar in einer Woche das brandenburgische Ludwigsfelde, wo Mercedes den Minivan Vaneo baut. Der Arbeitskampf wird also in der Autoindustrie entschieden.

In früheren Jahren waren es oft die Konzerne, die die Gefahr eines Streiks fürchteten, deshalb sogar einen relativ hohen Abschluss vorzogen und die Verhandlungskommissionen zum Einlenken drängten. 2002 ist das anders. Das sehr heterogene Arbeitgeberlager mit großen und kleinen Firmen, mit gut und schlecht Verdienenden, wehrt sich geschlossen gegen die „Erpressung“ durch die IG Metall. Das ist verständlich. Die Gewerkschaft fordert 6,5 Prozent mehr Lohn, die Arbeitgeber bieten 3,3 Prozent. Allein Daimler-Chrysler kostet ein Prozentpunkt nach eigenen Angaben einen hohen zweistelligen Millionenbetrag.

Kurz vor dem Beginn der Auseinandersetzung um das Geld haben die Kombattanten ihre Truppen verbal aufgerüstet. Der Präsident der Industrie, Michael Rogowski, appelliert an die Arbeitgeber, „diesen Kampf durchzustehen“. Und IG-Metall-Chef Klaus Zwickel bekräftigt die Forderung nach 6,5 Prozent mehr Lohn; mit „ein paar Zehntel mehr“ würden sich die Metaller nicht ruhig stellen lassen. Am Ende werde der Arbeitskampf „völlig unberechenbar“.

Das ist in der Tat zu befürchten, denn mit jedem Streiktag steigen die Erwartungen der Arbeitnehmer und wird ein Kompromiss schwieriger. Und dann könnte der so ausgezeichnet organisierten Kampforganisation IG Metall die Auseinandersetzung aus dem Ruder laufen.

Schon jetzt ist unwahrscheinlich, dass die IG-Metall-Führung zu einem gesamtwirtschaftlich vernünftigen Kompromiss fähig sein wird – der würde um die 3,5 Prozent betragen. Auch die jüngsten Appelle des Bundeskanzlers gehen ins Leere, weil sich die IG Metall verrannt hat. Zwar kann man der großen Metallgewerkschaft keinen Vorwurf machen, wenn sie für ihre Mitglieder das Maximum herauszuholen versucht. Aber die Mitgliederstruktur der IG Metall bildet die Industriegesellschaft der 70er Jahre ab. Deshalb gibt es wenig Verständnis für die alten Rezepte und Parolen, die an der Wirklichkeit einer differenzierten Wirtschaft vorbeigehen.

Ein identischer Tarifabschluss für alle Beschäftigten und Betriebe, unabhängig von Leistungsfähigkeit und Ertragskraft, passt nicht mehr in die Zeit. Klaus Zwickel weiß das, und deshalb hat er vor Monaten vorgeschlagen, einen Teil der Entgelterhöhungen an die Lage in den Betrieben zu koppeln. Doch der Vorsitzende wurde von den eigenen Funktionären zurückgepfiffen und heult seitdem mit den Wölfen.

Der Leitwolf der konfliktorientierten Metaller ist der mit Zwickel in herzlicher Feindschaft verbundene IG-Metall-Vize Jürgen Peters. Im nächsten Jahr will Peters zum Nachfolger Zwickels gewählt werden – ebenso wie der Stuttgarter Bezirksleiter Berthold Huber, der den Tarifabschluss 2002 aushandelt. Wer steht also nach dem Streik besser da, Peters oder Huber?

Dieser Wahlkampf im Arbeitskampf macht den Kompromiss nicht einfacher. Also muss ein Moderator helfen, damit Vernunft und gesamtwirtschaftliche Verantwortung an den Verhandlungstisch zurückkommen. Hans Jochen Vogel hat vor einigen Jahren einen ordentlichen Job als Metallschlichter gemacht.

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