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Meinung: Kanzlerkandidat der Union: Wo ein Wille ist ist auch ein Irrweg

Was kennzeichnet eine Opposition? Glauben wir dem Lexikon, ist es die Gegnerschaft gegen die Regierung.

Was kennzeichnet eine Opposition? Glauben wir dem Lexikon, ist es die Gegnerschaft gegen die Regierung. Glauben wir der Wirklichkeit, ist es die Gegnerschaft gegen sich selbst. So jedenfalls lehrt es uns die CDU. Dabei hat der jüngste Putschplan gegen Angela Merkel aus der Binnensicht sogar seine Logik. Aber nur aus dieser Sicht. Ansonsten ist der Verdacht schwer von der Hand zu weisen, dass die Union sich genau in dem Moment ihre Chance auf Rückkehr zur Macht erschwert, in dem sie zum ersten Mal nach drei Jahren ernsthaft diese Chance hätte. Genau in dieser neuen Erfolgsaussicht liegt das Motiv der Verschwörer.

Die Parteivorsitzende hat auf dem CDU-Parteitag viel Beifall bekommen. Der kam auch von Landesverbänden, die von einer Kanzlerkandidatin Merkel nichts halten. Aber, so die nach ihren Schöpfern benannte "Baden-Württemberg-Doktrin": Nur eine starke CDU-Vorsitzende könne die Kandidatur dem CSU-Chef Edmund Stoiber antragen, ohne sich und die eigene Partei zu beschädigen. Die Strategen verkannten zweierlei: Erstens hat der Parteitag Merkel ermächtigt, die K-Frage allein mit Stoiber auszumachen. Zweitens klingt Beifall für die Parteichefin exakt so wie Beifall für die Kanzlerkandidatin. Was Merkel mit der Zustimmung anfängt - ihre Sache. Die Verschwörer glauben zu wissen, was sie damit anfangen wird: Die Kanzlerkandidatur beanspruchen.

Warum das für den Großteil der CDUSpitzenleute eine Schreckensvorstellung ist, liegt jenseits der reinen Vernunft. Angesichts der Probleme der rotgrünen Regierung wittert die CDU zum ersten Mal seit langem wieder Morgenluft. Ist nicht das Rennen 2002 unentschiedener, als man das bis vor kurzem geglaubt hatte? All jene, die sich auf einen aussichtslosen Pro-Forma-Wahlkampf eingerichtet hatten, sehen plötzlich eine offene Auseinandersetzung vor sich, in der es um Wirtschaftskompetenz, Arbeitsplätze, Sicherheit in einer unsicheren Welt gehen könnte.

Für diese Schlacht erscheint selbst einem Merkel-Freund wie Peter Müller der Bayer als der bessere Kampfgefährte - bei allen Differenzen doch einer aus dem gleichen Holz. Einer, der "Werte" sagen kann, ohne das einem CDU-Publikum näher erklären zu müssen; einer auch, der den Machtwillen stärker verkörpert als die intern nicht minder machtbewusste CDU-Chefin. Dass Stoiber bisweilen ein Hasardeur ist, dass er sich populärer Themen lautstark annimmt und weniger populäre gerne ignoriert, gilt seinen neuen Freunden als vergleichsweise geringes Risiko: Wahlkampf ist nicht die Zeit fein ziselierter Positionen, und, so sagen sie: Ist nicht zum Beispiel die Sozialpolitik in Bayern die Fortsetzung von Norbert Blüm mit anderen folkloristischen Mitteln?

So spricht aus der Binnensicht vieles für Stoiber. Darum mögen sich die Merkel-Verhinderer im Recht sehen. Sie übersehen nur, dass ein Teil des Beifalls von Dresden für Merkel nicht taktischer Natur war, sondern von Herzen kam. Sie übersehen, dass Merkel schwach erscheint, aber eine starke Stellung hat. Wenn nur fünf Prozent der CDU-Anhänger aus Wut über eine Demütigung ihrer Heldin in den Bummelstreik treten, kann die Union ihre Chance vergessen. Merkel weiß das, deshalb kann sie Widersacher disziplinieren. Stoiber weiß es auch, deshalb hält er eisern Disziplin. Selbst die Verschwörer wissen es, sonst hätten sie längst geputscht. So erreichen sie nur eins: Dass die K-Entscheidung noch den dünnen Anschein von Souveränität verliert, der nach Dresden immerhin möglich erschien. Ein triumphaler Wahlkampf-Start wird das nicht.

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