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Peer Steinbrück bei seinem Auftritt in der Günther-Jauch-Sendung.

© dpa

Kanzlerkandidat: Steinbrück, der Herrenwitz der SPD

Peer Steinbrück bläst die Backen auf – damit ruiniert er die Chancen der Opposition. Denn gerade bei Wählerinnen kommt das nicht gut an.

Erstaunlich, wie übergangslos Peer Steinbrück, kaum als Kandidat akklamiert, in die Rolle des Messias geschlüpft ist. Oder geschlüpft wurde. Aus einem, der noch keine Wahl gewonnen hat, ist der Heiland der Sozialdemokratie geworden. Okay, ein paar Probleme mit seiner Vergangenheit als Bankenfreund, die ihn als Bankenschreck unglaubwürdig macht, sein Bekenntnis zu Rot-Grün, das denen sauer aufstoßen mag, die ihn als Grünen-Fresser kannten. Aber sonst? Einer mit Bühnenpräsenz, um keinen Spruch verlegen, einer, der Wirtschaft kann – oh ja! – und Kanzler folglich erst recht. Hochintelligent noch dazu. Kurz: ein echter Kerl, der geborene Herausforderer.

Nur wessen Herausforderer? Angela Merkel jedenfalls kann sich beruhigt zurücklehnen; besser hätte es für sie nicht laufen können. Nicht nur, dass Steinbrück sich um Kopf und Kragen redet – von jener „Beinfreiheit“, die er für sich fordert, bis zu den abgeschnittenen Hosenbeinen, die ihm ein Karikaturist bereits angemalt hat, ist es schließlich nur eine Metapher weit. Schon die Umstände von Steinbrücks Kür hätten zu denken geben müssen.

Monatelang präsentierte sich die älteste deutsche Partei als urälteste, mit rein männlicher Dreierspitze, die, weil es in den Parteistatuten dafür keinen Begriff zu geben scheint, euphemistisch „Troika“ getauft wurde. Nicht nur das war nicht mal einen kleinen Aufreger wert – der Beschluss zur 40-Prozent-Frauenquote ist schließlich ein langes Vierteljahrhundert her.

Jede seiner Sottisen kostet Zustimmung

Nein, dann wurde ausgerechnet der zum Kandidaten erhoben, der in der Herrenpartie den Posten von Conan dem Barbaren noch am ehesten besetzen könnte. Jede seiner Sottisen kostet Zustimmung, und neben der Beinarbeit hat er strategisch gleich nach seiner Ausrufung zum Spitzenmann ganze Arbeit geleistet: Auf keinen Fall mit den Linken, auf keinen Fall Minister in einer Regierung Merkel, mit der er doch früher gut konnte. Der Kandidat einer nicht mehr ganz großen Partei, der die Backen aufbläst, als habe einer wie er nichts anderes als ein bulgarisches Wahlergebnis zu erwarten, eins vor dem Fall des Eisernen Vorhangs wohlgemerkt, und einen bunten Strauß Koalitionsauswahl dazu. Eigentlich steht in der Politik auf derlei Wählerinnenverdrießung die Höchststrafe. Sie zu verhängen, kann seine Partei sich jedoch nicht leisten.

Und damit wirft die Debatte um Steinbrück ein trübes Licht auf die ganze real existierende Sozialdemokratie. Was Schröder von ihr übrig gelassen hatte, hat Gabriel ganz ordentlich aufgemöbelt. Und er war ab und zu wohltuend nachdenklich. Dennoch will eins der wenigen politischen Tiere der SPD nicht wahlkämpfen. Gabriel wird seine taktischen Gründe haben, Steinbrück sich verschleißen zu lassen. Aber er macht damit die eigenen Reparaturarbeiten zunichte. Als die Energiewirtschaft mit einem halben Dutzend Männerköpfen gegen den Atomausstieg anplakatierte, wusste man: Jetzt kommt er sicher. Jetzt hat die SPD ihren Herrenwitz. Und es ist kaum mehr die Frage, wer zuletzt lachen wird.

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