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Meinung: Kein Grund für einen Bodenkrieg Der US-Kongress stützt Bush – reicht das als Legitimation?

Zwei Dinge braucht der Mann: einen starken Rückhalt und ein reines Gewissen. Das gilt besonders dann, wenn der Mann Präsident der Vereinigten Staaten ist und in den Krieg ziehen will.

Zwei Dinge braucht der Mann: einen starken Rückhalt und ein reines Gewissen. Das gilt besonders dann, wenn der Mann Präsident der Vereinigten Staaten ist und in den Krieg ziehen will. George W. Bush ist zum Krieg gegen den Irak bereit. Den Rückhalt dafür hat er sich gesichert. Eine fulminante Mehrheit des Kongresses hat ihn mit größeren Vollmachten ausgestattet als dereinst seinen Vater. Das Mandat gleicht einem Blankoscheck. Es wurde Bush erteilt, ohne dass er eine unmittelbare Bedrohung nachweisen musste, ohne dass der Irak – wie damals – ein anderes Land überfallen hätte, und ohne dass die USA zuvor eine internationale Koalition geschmiedet und die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates eingeholt hätten. Bush bekommt, was er will. Jedenfalls im eigenen Land. Obwohl er nur durch ein Gerichtsurteil ins Amt kam, ist er inzwischen der stärkste US-Präsident seit Dwight D. Eisenhower und Ronald Reagan.

Schwieriger ist die Sache mit dem reinen Gewissen. Am 12. September hat Bush seine Gründe den Vereinten Nationen erläutert. Er beschuldigte Saddam Hussein, sämtliche UN-Resolutionen verletzt zu haben. Daraus leitet Bush die völkerrechtliche Legitimation seiner Pläne ab. Am heutigen Mittwoch steht die Glaubwürdigkeit dieser Strategie gleich zwei Mal auf dem Prüfstand. Die UN-Generalversammlung debattiert über das Irak-Problem, und Israels Ministerpräsident Ariel Scharon besucht das Weiße Haus. Fast überall auf der Welt werden beide Themen miteinander verknüpft. Zum einen heißt es, ein Irak-Krieg erschwere die Lösung des Nahostkonfliktes. Zum anderen wird Amerika der doppelten moralischen Standards bezichtigt. Verletzt nicht auch Israel eine Reihe von UN-Resolutionen und muss trotzdem keinen Feldzug der Amerikaner befürchten?

Beide Thesen sind falsch. Der Irak und der Nahe Osten haben weniger miteinander zu tun, als es scheint. Ob es Selbstmordattentäter in den besetzten Gebieten gibt, hängt nicht davon ab, wer in Bagdad regiert. Und der Vorwurf der doppelten Standards? Auch der lässt sich nur eingeschränkt aufrecht erhalten. Saddam Hussein verletzt UN-Resolutionen, die aus Kapitel 7 der UN-Charta abgeleitet werden. Darin geht es um die Bedrohung des Weltfriedens. Nur unter Berufung auf Kapitel 7 kann der Sicherheitsrat die Anwendung von Gewalt beschließen. Zum Nahostkonflikt gibt es solche Resolutionen nicht. Der Frieden dort muss nach dem Willen der Völkergemeinschaft ein Verhandlungsfrieden sein. Und obwohl Israel zweifellos eine Reihe von UN-Resolutionen verletzt – die meisten beziehen sich auf die Siedlungspolitik und andere unrechtmäßige Formen der Besatzung – hat der Sicherheitsrat bislang keine Sanktionen beschlossen oder „ernste Konsequenzen“ angedroht.

Kann Bush also reinen Gewissens gen Bagdad ziehen? Nein. Den Nachweis einer akuten Bedrohung, die vom Irak ausgeht, ist er schuldig geblieben. Eine Verletzung von UN-Resolutionen wiederum kann nur der Sicherheitsrat ahnden, nicht aber eines seiner Mitglieder im Alleingang. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Irak. Außerdem sind Wahrnehmungen manchmal wichtiger als Fakten. Kein Araber würde Saddam Hussein eine Träne nachweinen. Aber die meisten wären empört über eine langjährige amerikanische Besetzung eines arabischen Herzlandes. Die Annahme, nach dem Vorbild Japans oder Deutschlands ein groß angelegtes Umerziehungsprogramm durchführen zu können, ist naiv. Der Kongress hat Bush den Rücken gestärkt. Mit einem reinen Gewissen kann der US-Präsident aber nicht protzen.

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