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Meinung: „Kein Kommentar“

Der Satz fällt häufig und ist einer der längsten, die Ramzan Kadyrow zu entlocken sind. Jetzt sollte der Tschetschene mit Russlands Präsident Putin zur Hannover-Messe reisen – und blieb in letzter Minute zu Hause.

Der Satz fällt häufig und ist einer der längsten, die Ramzan Kadyrow zu entlocken sind. Jetzt sollte der Tschetschene mit Russlands Präsident Putin zur Hannover-Messe reisen – und blieb in letzter Minute zu Hause.

Reden ist seine Sache nicht, eher draufhauen. Gern auch auf Polizisten in der Nachbarrepublik Dagestan, weil die sich erkühnten, die Ausweispapiere seiner Schwester zu kontrollieren. Zunächst besorgte der bullige Tschetschenenführer mit den martialischen Gesichtszügen, der meist in Lederjacke auftritt, Schießprügel und schnelle Autos liebt, das Draufhauen als Kommandeur der Leibwache seines Vaters Ahmad  Kadyrow, der von Moskau im Sommer 2000 kommissarisch zum Verwaltungschef der abtrünnigen Teilrepublik Tschetschenien bestellt und bei umstrittenen Wahlen im Oktober 2003 Präsident wurde. Acht Monate später starb Kadyrow senior bei einem Sprengstoffanschlag. Seitdem geht Sohn Ramzan mit seiner rund  2300 Mann starken Miliz  – meist noch vom Vater amnestierte ehemalige Guerillas, die  in der Republik inzwischen mehr gefürchtet werden als Moskaus Militär – auf eigene Faust anschaffen. Fememorde und  Entführungen werden ihm ebenso nachgesagt wie Schutzgelderpressung.

Gewöhnliche Tschetschenen kommen bei weitaus geringeren Delikten hinter Gitter, Ramzan dagegen heftete Putin klammheimlich den goldenen Stern eines „Helden Russlands“ an die Brust – die höchste Auszeichnung, die Moskau zu vergeben hat. Als die Nachricht Tage später dennoch durchsickerte, sprachen kritische Medien von einem Trostpreis. Zu Recht: Denn eigentlich sollte Ramzan Präsident Tschetscheniens von Moskaus Gnaden werden. In der Hoffnung, seiner Privatarmee würde gelingen, worum der Kreml sich in zehn Jahren Krieg in Tschetschenien vergeblich mühte: Ruhe, Ordnung und die Rückkehr unter das Dach der russischen Verfassung.

Der Plan scheiterte jedoch, weil Ramzan nach dem Anschlag auf den Vater erst 27 Jahre jung war. Kaukasusexperten drängten den Kreml damals ohnehin, Ramzan mit einem Posten in der Moskauer Zentralregierung abzufinden, notfalls als Botschafter in einem Südseeparadies. Doch Ramzan wollte statt Insel Teilhabe an der realen Macht und bestand auf den Posten eines tschetschenischen Vizepremiers, zuständig für Sicherheit.

Aus gutem Grund: In politischen Systemen wie dem russischen ist ein hohes Amt gleichbedeutend mit der Kontrolle über die Finanzströme. In Tschetschenien geht es dabei neben  Erlösen aus der Ölförderung vor allem um die Wiederaufbauhilfen für das zerbombte und verheerte Land. Darüber sollte er auch in Hannover verhandeln. Dann wurde er jedoch von Putins Delegationsliste gestrichen. Das, so hiesige Menschenrechtler, habe nicht nur dem Gastgeber, sondern auch Putin selbst einige Peinlichkeiten erspart.

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