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Meinung: Kein sanfter Transfer Von Tissy Bruns

Die SPD hat einen neuen Vorsitzenden. Für die SPD oder die großkoalitionäre Bundeskanzlerin liegt kein Grund zur Beunruhigung vor.

Die SPD hat einen neuen Vorsitzenden. Für die SPD oder die großkoalitionäre Bundeskanzlerin liegt kein Grund zur Beunruhigung vor. Der Neue ist Kurt Beck, ein mit allen Wassern gewaschener Sozialdemokrat, der es in einem konservativen Bundesland zur absoluten Mehrheit gebracht hat. Er versteht was von Mehrheiten, von Zusammenhalten und Ausgleich.

Keine Gefahr für die Stabilität – aber gerade da liegt das Problem. Denn der mentale Zustand der SPD ist und bleibt unter Beck auf absehbare Zeit mit dem Satz beschrieben, der unmittelbar nach dem guten Wahlergebnis für den Neuen vom Präsidiumstisch verkündet wurde: Wir machen weiter im Programm. Ja, bloß mit welchem!, möchte man da wie das Kind rufen, das den Kaiser nackt sah. Der Reformkurs des letzten sozialdemokratischen Kanzlers war überfällig und richtig, aber „im Programm“ der SPD war er eben nicht mehr. Zu Recht hat Kurt Beck einen Brief von der Basis zitiert, der ein „sprachloses Abseits“ vieler Mitglieder und Anhänger der SPD beklagt. Becks Antwort war gestern eine umfängliche Beruhigung und Vergewisserung nach allen Seiten, zu allen Ebenen, Mandatsträgern und Flügeln der SPD. Und diese Antwort ist ganz und gar unzureichend, ja falsch.

Das Wohlgefühl von Parteitagen dieser Art hält immer nur bis zum nächsten Reformgesetz. In diesem Sommer dürfte die Gesundheitsreform ähnliche Fragen, Enttäuschungen und Unverständnis produzieren wie weiland die Hartz-Gesetze. Die SPD, das erfolgreiche Produkt der Industriegesellschaft, muss der Wahrheit ins Auge sehen, dass ein sanfter Transfer der alten Sozialstaatlichkeit in die neue Welt nicht möglich ist. In Berlin hat gestern der erste SPD-Parteitag ganz ohne die Führungsgeneration stattgefunden, die mit Scharping, Lafontaine und Schröder anderthalb Jahrzehnte bestimmt hat. Wenn die neuen Spitzenleute das Land weiter hinter dem Rücken ihrer eigenen Partei reformieren wollen, dann übernehmen sie die schlechteste Tradition ihrer Vorgänger. Wenn ein ganzes Land verunsichert ist, muss die SPD beunruhigt werden.

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