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Meinung: Kein Spiel ohne Grenzen

Warum Borussia Dortmunds Finanzkrise eine Gefahr für die ganze Bundesliga ist

Heute Abend werden Millionen von Fans aufatmen. Der Fußball kehrt zurück, die Winterpause ist zu Ende. 83 000 Menschen werden beim Revierderby zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 im Westfalenstadion jubeln und fluchen. Sie werden beim Einmarsch der Teams voller Vorfreude sein und ein paar Sorgen vergessen. Das ist der schöne Schein. Aber es fällt auch ein Schatten auf dieses Spiel, auf die ganze Liga. Dortmunds Finanzkrise und Schalkes Schuldenpolitik machen der Liga Angst, und man fragt sich: Wie schamlos ist die Bundesliga?

Laut eigener Definition war Borussia Dortmund einmal einer der finanzstärksten Klubs Europas. Jetzt drohen bis zu 78 Millionen Euro Schulden. Das ganze Geld vom Börsengang aus dem Jahr 2000, 130 Millionen Euro, ist weg. An die 80 Millionen Euro haben die Dortmunder seitdem in Spieler investiert, die Personalkosten haben zeitweise die Hälfte des Umsatzes verschlungen. Jetzt denken die Verantwortlichen trotz aller Warnungen über eine Anleihe von bis zu 100 Millionen Euro nach. Schalke 04 hat sich auf diesem Weg 85 Millionen Euro Fremdkapital besorgt, das der Klub über viele Jahre zurückzahlen muss. Alles völlig seriös, sagen die Schalker und kaufen der Konkurrenz einen Spieler nach dem anderen weg. Wenn der Erfolg aber ausbleibt, müssen künftige Fußballgenerationen auf Schalke und in Dortmund sehen, wie sie aus der Schuldenfalle kommen.

Dortmund und Schalke stehen stellvertretend für den falschen Glauben, ein Fußball-Klub könnte geführt werden wie ein beliebiges Unternehmen. Zum Zeitpunkt des Börsengangs war Dortmund bereits mit 72 Millionen Euro Schulden belastet. Der Verein kaufte sich trotz erster Anzeichen der Kirch-Krise Jahr für Jahr teure Spieler, der kontinuierliche Erfolg auf internationaler Bühne blieb jedoch aus. Die Mannschaft hat zwar internationales Spitzenformat, konnte aber keine Spitzenleistung abrufen und verpasste in dieser Saison sogar die Qualifikation für die lukrative Champions League.

Dortmund wollte den deutschen Branchenführer FC Bayern München überholen, wollte dauerhaft europäische Spitze sein. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch das Risiko war einfach zu groß. Der Faktor Mensch, die Mannschaft, blieb unberücksichtigt. Die Klubführung hat Etats verabschiedet, die durch sportliche Erfolge gedeckt werden sollten. Die Möglichkeit des Scheiterns hatte sie nicht einkalkuliert. Einnahmen wurden in die Zukunft verlagert im Vorgriff auf zu erwartende Erlöse. Deswegen wirken die Dortmunder so schamlos – und weil sie so tun, als könnte ein Traditionsverein niemals Pleite gehen.

Dortmund ist aber auch Opfer einer Branche, in der nur Siege und Stars zählen. In Spanien, England, Italien machen die Klubs noch viel mehr Schulden, aber dort haben sie dafür die Zidanes und Beckhams. Nur zu welchem Preis und mit welchen Machenschaften? In Italien etwa führen Allianzen aus Politik und Sport oft zu dubiosen Geldtransfers und somit zur Wettbewerbsverzerrung. So weit darf es in Deutschland gar nicht erst kommen. Es würde auch nicht funktionieren, weil im Falle eines Scheiterns weder Politik noch Wirtschaft herumtricksen. In Deutschland gibt es auch keinen Milliardär wie Roman Abramowitsch, der sich den Londoner FC Chelsea kaufte und allein in dieser Saison 144 Millionen Euro an Ablösesummen bezahlt – das Dreifache des gesamten Investitionsvolumens der Bundesliga.

Die Bundesliga muss sich entscheiden: Entweder sie wird größenwahnsinnig und unseriös und oder sie besinnt sich auf eine bescheidenere Strategie. Man kann auch mit solider Substanz, mit Tradition und Ehrlichkeit gewinnen, ohne die Zidanes. Der VfB Stuttgart zeigt das. Vor zwei Jahren stand der Verein mit teuren Stars am Rande des Bankrotts und der Zweiten Liga, jetzt steht er mit den begehrtesten Nachwuchsspielern Deutschlands im Achtelfinale der Champions League.

Heute im Stadion wird das alles für 90 Minuten vergessen sein. Dortmund gegen Schalke funktioniert mit Stars oder ohne. Es funktioniert, weil die Menschen ihre Klubs lieben und das Spiel. Das ist das stärkste Fundament, das der Fußball haben kann.

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