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Meinung: Keine Panik, Plan kommt gleich - Auf eine Grippe-Pandemie ist Deutschland schlecht vorbereitet

Von Alexander S. Kekulé WAS WISSEN SCHAFFT Mit dem falschen Vogelgrippe-Alarm ist zwar noch lange nicht die Epidemie, wohl aber die Panik in Deutschland angekommen.

Von Alexander S. Kekulé WAS WISSEN SCHAFFT

Mit dem falschen Vogelgrippe-Alarm ist zwar noch lange nicht die Epidemie, wohl aber die Panik in Deutschland angekommen. Feuerwehrleute in Schutzanzügen, vermummte Ärzte hinter Sicherheitsschleusen – der große Bahnhof bei der Einlieferung einer Urlauberin in die Hamburger Tropenklinik lässt die bange Frage hochkommen, wie die Versorgung von 20-30 Millionen Kranken bewerkstelligt werden soll, die bei einer echten Grippepandemie zu erwarten wären. Die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums: Am Grippe-Alarmplan wird gearbeitet, eine Bund-Länder-Kommission kümmert sich darum, in einigen Tagen soll ein Entwurf vorgelegt werden. Die Antwort ist, dass es noch keine Antwort gibt.

Das klingt bekannt. Vor einem Jahr führte Sars den Gesundheitswächtern vor, wie schnell sich ein gefährliches Virus rund um den Globus ausbreiten kann. Vor zwei Jahren ging es um biologische Anschläge, auch damals erinnerten Seuchenexperten an den überfälligen Grippe-Alarmplan. Die Antwort aus Berlin war jedes Mal: Keine Panik, der Pandemieplan ist fast fertig.

Der Aufruf der Weltgesundheitsorganisation (WHO) an alle Staaten, nationale Notfallpläne für den nächsten weltweiten Ausbruch der Grippe („Pandemie“) zu erstellen, stammt aus dem Jahre 1999. Jetzt könnte sich rächen, dass Deutschland seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Damit medizinische Versorgung, öffentliche Verwaltung und andere wichtige Bereiche nicht zusammenbrechen, müssen deren Mitarbeiter im Ernstfall sofort Medikamente (Tamiflu, Relenza) einnehmen, die die Infektion mit dem Grippevirus so lange verhindern, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. Bereits im Mai 2001 empfahl eine vom Robert-Koch-Institut einberufene Expertenrunde deshalb, Notfallrationen dieser Virusmittel einzulagern und zusätzlich mit den Herstellern verbindliche Verträge über die Nachlieferung im Pandemiefall zu schließen. Andere Staaten, wie Japan, haben inzwischen in großem Stil bestellt. Da die Produktion nicht über Nacht beliebig hochgefahren werden kann, muss das Gesundheitsministerium sich nun sputen.

Auch die Versorgung mit Impfstoff ist für den Fall der Fälle nicht verbindlich abgesichert. Falls es zu einer Influenza-Pandemie kommt, entwickeln die vier Referenzlabore der WHO so schnell wie möglich ein abgeschwächtes Impfvirus und geben es an die Impfstoffhersteller weiter. Da die Produktion danach nur langsam anfährt, ist zumindest in den ersten sechs bis 12 Monaten einer Pandemie mit erheblichen Engpässen bei der Impfstoffversorgung zu rechnen. In dem dadurch vorprogrammierten Verteilungskampf haben diejenigen Staaten die besten Chancen, die bereits vorher ihre Kontingente mit den Herstellern vertraglich abgesichert haben.

Ohne Grippe-Pandemieplan können die Einlagerung von Medikamenten, Verträge mit den Herstellern und andere wichtige Schutzmaßnahmen nicht vernünftig koordiniert werden. Vielleicht hat die Vogelgrippe zumindest darin ihr Gutes, dass das lange überfällige Papier endlich auf den Tisch kommt.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J.Peyer

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