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Streiten sich um die Kindererziehung: Sängerin Beyonce Knowles und Rapper Jay-Z.

© dpa

Kindererziehung: Frühchinesisch statt Geborgenheit und Liebe

Überambitionierte Karriereeltern gibt es nicht nur im Prenzlauer Berg. Auch Beyonce Knowles und Jay-Z haben große Pläne für ihre Tochter Blue Ivy. Doch wie wichtig ist Frühchinesisch für Kleinkinder? Und was ist mit Liebe und Geborgenheit?

Wie soll ich das jetzt erklären? Ich versuch es mal so: Die Sängerin Beyonce Knowles und ihr Mann, der Rapper Jay-Z, haben ein Kind bekommen, eine Tochter, sie heißt Blue Ivy, aber auch für Kolumnisten gilt die goldene Gag-Regel: no jokes with names – keine Witze über Namen. Ist in diesem Fall aber auch gar nicht nötig.

Blue Ivy kam in Manhattan zur Welt, im Lenox Hill Krankenhaus, und in diesem Krankenhaus entstand kurz vor Blue Ivys Ankunft eine neue Geburtstabteilung für 1,3 Millionen Dollar. Blue Ivy kam in einem Raum zur Welt, der Fenster aus Panzerglas hat. Der Flur wurde von Bodyguards bewacht, andere Eltern kamen nicht zu ihren Kindern, die auf der Intensivstation lagen – wenn jemand jetzt noch eine bemüht lustige Bemerkung machen will über überambitionierte Prenzlauer-Berg-Eltern, dann könnte das böse nach hinten losgehen.

Jedenfalls hat Familie Z dieses Krankenhaus inzwischen verlassen, aber am Montag konnte man lesen, dass sich Mutter und Vater nicht einigen können über den Ort der Grundschule – und während in Berlin das Problem eher so aussieht, dass man sich als Neuköllner möglicherweise noch schnell einen Wohnsitz in Charlottenburg organisiert, damit der Nachwuchs nicht auf die Pierre-Littbarski-Grundschule muss, streiten sich die Eltern von Blue Ivy gerade darüber ob das Kind besser in Houston, Texas oder in New York zur Schule gehen soll. Beyonce kommt aus Houston, Jay-Z aus New York, beide glauben wohl, dass ihre Startbedingungen die jeweils besseren waren. Hoffentlich finden sie einen Kompromiss, dem Kind zuliebe – wie heißt das noch? – Blue Ivy. Relativ in der Mitte würde die Stadt Knoxville liegen. Da wurde der Regisseur Quentin Tarantino geboren, allerdings zog seine Mutter mit ihm nach Los Angeles, als er zwei Jahre alt war, aber das führt jetzt wirklich zu weit.

Immerhin scheint eine Sache bereits abgemacht zu sein: Beyonce und Jay-Z sind gerade auf der Suche nach einem Kindermädchen, es sollte drei Sprachen sprechen und in der Lage sein, diese Blue Ivy auch beizubringen. Gewünscht sind außerdem Umgangsformen, in dem Bereich soll ja vor allem Jay-Z nicht so Bescheid wissen. Kindheit, Straße, Rapmusik – Sie ahnen es schon.

Ich kenne ja ein paar Leute, die haben Kinder, kleine Kinder, die noch nicht in die Schule gehen. Sie sprechen – so weit ich das beurteilen kann – recht flüssiges deutsch. Was man so hört, ist das kein Nachteil. Sie sind auch in der Lage „bitte“ zu sagen, „danke“ auch, und ich weiß nichts von Kindermädchen, die denen das mit Hilfe komplizierter pädagogischer Tricks beigebracht hätten. Was ich so mitbekomme ist eher, dass sich die Eltern unterhalten, wenn die Kinder dabei sind, und das sich der Vater mit dem Kind unterhält, wenn die Mutter dabei ist und umgekehrt. Vater, Mutter, Kind – und alle reden miteinander, und am Ende kann das Kind die Sprache und sich bedanken, und das alles obwohl das Kind in der Charite zur Welt gekommen ist, man hält es kaum für möglich.

Manche dieser Eltern suchen gerade eine Schule für das Kind, wobei „suchen“ es nicht ganz trifft, denn sie schauen einfach, welche Schule bei ihnen um die Ecke liegt – und melden ihr Kind dann da an. Was ich damit eigentlich nur sagen will: Ich glaube, dass sich Berliner Eltern, die noch bis vor kurzem alles dafür taten, jedem noch so absurden Klischee der überambitionierten Karriereeltern zu entsprechen, gerade ziemlich entspannen, weil sie mitbekommen haben, dass Liebe und Geborgenheit dann doch zu was führen und Frühchinesisch vielleicht eher nirgendwo hin (oder zum Kiosk, wo man sich dann den „stern“ kaufen muss, um die große Geschichte über Burn-out zu lesen, aber das will ja nun wirklich keiner). Vielleicht erinnern sie sich auch nur zum Glück an ihre eigene Kindheit, an die Schule um die Ecke, an das Spielen und Toben – an eine Kindheit, die noch keinem Plan folgte, keiner Struktur, keinen Elternwünschen. Aus den Kindern von damals ist dann ja auch was geworden.

Seinem Kind einen albernen Namen geben und seine Karriere bis zu Uni durchplanen – das ist jetzt endlich die Sache der neureichen, intellektuellen Unterschicht. Und das muss nicht schlecht sein, denn es zeugt am Ende dann doch von einem unbedingten Aufstiegswillen. Und dass es Blue Ivy einmal besser haben soll als Beyonce Knowles, das kann man dem Kind ja auch nur wünschen.

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