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Kirche und Missbrauch: Der Ungeist der Zeit

Es war nur eine Frage der Zeit. Aber nie konnte es einen Zweifel geben, dass auch die evangelische Kirche von den Missbrauchsfällen betroffen sein würde. Der Rücktritt der Hamburger Bischöfin Maria Jepsen markiert womöglich erst den Anfang der mühsamen Aufklärungsarbeit.

Wie kann das sein? Gerade in Sachen Sexualität waren deutsche Protestanten doch stets so stolz darauf, viel aufgeklärter und lockerer zu sein als ihre katholischen Glaubensgeschwister. Aber vielleicht war es genau das: Sowohl das Zuwenig an Freiheit als auch das Zuviel an Freiheit mündeten in die gleichen Exzesse. Was bei den einen Verklemmtheit, war bei den anderen Zügellosigkeit. Ideologisch stehen die Missbrauchsfälle in der evangelischen Kirche sicher denen in der Odenwaldschule näher als denen in katholischen Einrichtungen. Für die Opfer aber ist das einerlei. Und dass es hier wie dort an sittlicher Reife der Verantwortlichen fehlte, den Dingen auf den Grund zu gehen, zeugt davon, wie erschreckend zeitgeistig der Missbrauch war. Wäre in den achtziger Jahren über einen Pastor das Gerücht gestreut worden, er stehe der Rüstungsindustrie nahe, hätte es jene „Nachlässigkeit im Hören wie im Sagen“, die jetzt beklagt wird, garantiert nicht gegeben. mal

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