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Eine Karte mit Flugrouten hängt vor Prozessbeginn im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

© dpa

Klage gegen BER-Flugrouten: Was Recht und was gerecht ist

Mancher, der in den vergangenen Wochen gegen den Flughafen BER protestierte, hat beim Kauf seines Grundstücks wohl auch ein bisschen va banque gespielt. Aber bei denen, die jetzt in Leipzig klagen, geht es um einen grundsätzlichen Vertrauensschutz.

Die Sache steht nicht gut für die Bürger der brandenburgischen Gemeinden Kleinmachnow, Zeuthen und Mahlow und ihre Berliner Mitstreiter aus Lichtenrade und Bohnsdorf. Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wollen sie ein Urteil erwirken, das den geltenden Planfeststellungsbeschluss für den neuen Flughafen im Süden der Stadt als nicht rechtmäßig zustande gekommen einstuft.

Sie fühlen sich vom zuständigen Ministerium in Potsdam und von der Flughafengesellschaft getäuscht, weil man sie über die tatsächlich vorgesehenen Flugrouten im Unklaren gelassen habe. Am 31. Juli will der Vierte Senat des Gerichtes seine Entscheidung verkünden. Aber bereits während der Verhandlung hat der Vorsitzende der Kammer, Rüdiger Rubel, zu erkennen gegeben, dass er Zweifel am Erfolg der Klage hat.

Das empört die Betroffenen. Deutliche Worte fallen. Ein Anwalt spricht von „Vertrauensverlust in den Rechtsstaat“, ein Kläger wirft den Richtern „absolutes Desinteresse an den Fakten“ vor. Dieser Eindruck mag nicht grundlos sein, aber der Augenschein täuscht. Das Problem: Die Richter schauen nach anderen Fakten als die Kläger. Die fühlen sich betrogen, weil beim Anhörungsverfahren vor der Planfeststellung von geraden An- und Abflugrouten ausgegangen worden war und deshalb die nun klagenden Gemeinden nicht tangiert gewesen wären.

Reaktionen auf das BER-Debakel:

Wer durch die beiden Pisten des neuen Flughafens einen geraden Strich nach Westen und Osten zieht, stellt fest, dass die Linie keinen der genannten Orte berührt. Deswegen wurden sie nicht gehört, deswegen wurde dort fleißig gebaut. Tatsächlich war einigen Behörden aber seit 1998 bekannt, dass aus Sicherheitsgründen im Parallelbetrieb der beiden Startbahnen eine um 15 Grad nach Norden und Süden abgeknickte Flugrichtung vorgegeben wird. Nun verteilt sich der Fluglärm plötzlich potenziell nicht mehr nur über einen relativ schmalen Streifen, sondern wird je nach Windrichtung und Stärke des Flugbetriebs fast über einen 90 Grad offenen Winkel aufgefächert.

Dass viele der nun klagenden Gemeinden auch dann erst in einer Höhe von 2400 Metern überflogen würden, man also im Umfeld einer Großstadt wirklich nicht mehr von Lärm sprechen darf, beruhigt niemand. Denn andere sind nun wirklich düpiert. Ihre Grundstücke und Häuser werden massiv an Wert verlieren. Und das stimmt die Richter nicht nachdenklich? Nein.

Wie der Flughafen BER einmal aussehen soll:

Für sie haben die Flugrouten nur einmal, bei ihrem Urteil aus dem März 2006, für die Baufreigabe des neuen Flughafens, eine Rolle gespielt. Damals segneten sie die Schließung von Tegel und Tempelhof und die Konzentration auf einen Single-Airport unter anderem deswegen ab, weil künftig nicht mehr „Wohnflächen in der dicht besiedelten Umgebung der beiden innerstädtischen Flughäfen“ gefährdet seien. Wie dann später die endgültigen Flugrouten eines neuen, noch zu bewilligenden Flughafens aussehen werden, hat im Genehmigungsverfahren hingegen nie eine Rolle gespielt. „Flugrouten sind von der Natur her flüchtig“ charakterisierte Richter Rubel die Rechtslage.

Dass das so ist, hat auch schon Flughafenanlieger in München und Frankfurt wütend gemacht. Tatsächlich muss sich jeder, der in den Hauptan- und Abflugsektoren eines Flughafens baut, über dieses Risiko im Klaren sein. Mancher, der in den vergangenen Wochen demonstrierte und protestierte, hat beim Kauf seines Grundstücks oder Hauses wohl auch ein bisschen va banque gespielt. Aber bei denen, die jetzt in Leipzig klagen, geht es um einen grundsätzlichen Vertrauensschutz. Der Bürger muss auf die Verlässlichkeit, Redlichkeit und Offenheit staatlichen Handelns bauen können. Dass er, wie hier offensichtlich, über die Fakten im Unklaren gelassen wurde, erschüttert das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Mag sein, dass das Bundesverwaltungsgericht die Klagen auf Grund der Rechtslage zurückweisen muss. Aber eine darauf folgende eventuelle Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht oder beim Europäischen Gerichtshof sollte man den betroffenen Bürgern nicht als Querulantentum auslegen. Was sie verlangen, ist nur recht und billig.

Anhaltende Proteste gegen Fluglärm:

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