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Wird das Tempelhofer Feld an den Rändern bebaut? Darüber können die Berliner am Sonntag in einem Volksentscheid abstimmen. Der Ausgang ist völlig offen.

© dpa

Klaus Wowereit und der Volksentscheid: Die Tempelhof-Abstimmung taugt nicht zur Denkzettelwahl

Viele Berliner könnten versucht sein, bei der Abstimmung über das Tempelhofer Feld Klaus Wowereit einen Denkzettel zu verpassen. Doch das führt nicht weiter: Der Regierende wird auch dann nicht zurücktreten, wenn er verliert. Und der Sache wäre ebenfalls nicht gedient.

Das lädierte Ansehen von Berlins Regierendem Bürgermeister und die Bebauung des ehemaligen Flughafens Tempelhof, das sind zwei Paar Schuhe. Beides hat nichts miteinander zu tun. Sagt Klaus Wowereit.

Doch da irrt er sich. Eine gegen den Regierungschef gerichtete Abwahlinitiative dümpelt zwar vor sich hin, aber nicht nur viele Wahlplakate für ein unbebautes Tempelhofer Feld signalisieren: Dies könnte zur Stunde der Abrechnung für schlechte Politik werden, die Gelegenheit, dem Senat und dem Regierenden einen Denkzettel zu verpassen. Einen Denkzettel vor allem wegen des unfertigen Flughafens im Südosten von Berlin und der offensichtlichen Unfähigkeit der politischen Spitze des Landes, den guten Ruf der blamierten Hauptstadt wiederherzustellen. Die können eben keine Großprojekte, steckt hinter dem Missmut, und: lieber gar nichts in Tempelhof als eine neue städtebauliche Katastrophe. Und anders als bei dem 2008 an zu geringer Beteiligung vor allem im Ostteil der Stadt gescheiterten Volksentscheid zur Offenhaltung von Tempelhof als Flughafen ist diesmal die Gesamtstadt mobilisiert. Die parallel laufende Europaabstimmung treibt die Stimmbürger ohnedies an die Wahlurnen. Der Zorn wird sich artikulieren, da gibt es kaum einen Zweifel.

Das alles ist nachvollziehbar. Und natürlich würde es Klaus Wowereit nichts helfen, wenn er sich, beim Volksentscheid abgestraft, nur schütteln würde wie ein nasser Hund. Ein klares Nein zu jeder Bebauung auf dem ehemaligen Flughafengelände beschädigt seine Autorität weiter, heizt die Nachfolgediskussion an. Ob sich Stadtentwicklungssenator Michael Müller noch im Amt halten ließe nach einem K. o. für die von seinem Haus verantworteten Pläne? Berlins SPD hat ihn schon als Parteivorsitzenden demontiert. Sie bliebe kaum ruhig nach einem für Müller negativen Volksentscheid.

Dennoch ist dieses Szenario in etwa das, was man ironisch als untauglichen Versuch am untauglichen Objekt bezeichnen könnte. Wenn der Volksentscheid jede Bebauung ablehnt, bleibt Klaus Wowereit dennoch im Amt, und Neuwahlen gibt es auch keine. Dafür wird auf absehbare Zeit jede Bebauung des Tempelhofer Feldes verhindert, auch jene jetzt vom Senat vorgeschlagene, bei der ja 230 Hektar frei blieben. Natürlich könnte sich das Abgeordnetenhaus in einer späteren Legislatur doch noch mehrheitlich für eine Bebauung aussprechen, aber dass es bei der addierten Stärke von SPD, Piraten, Grünen und Linke jemals dazu kommt, glaubt doch ernsthaft niemand. Wer also gegen die Bebauung stimmt, um Wowereit zu treffen, obwohl er eigentlich nichts gegen neue Wohnungen hat, macht einen folgenschweren Fehler.

Runde Sache. Das Feld als Ellipse passt besser zum ehemaligen Flughafen, findet die Berliner Baukammer. Diese Lösung datiert aus 1994.
Runde Sache. Das Feld als Ellipse passt besser zum ehemaligen Flughafen, findet die Berliner Baukammer. Diese Lösung datiert aus 1994.

© Hentrich-Petschnigg / Seebauer, Wefers

Fehler bereits gemacht hat die Berliner Politik. Einmal, weil sie dem Antrag „Initiative 100 % Tempelhofer Feld“ einen eigenen Antrag zur Bebauung entgegensetzte, statt einfach für die Ablehnung der Initiative zu werben. Dann, weil sie die aufgrund der Kosten höchst umstrittene Landesbibliothek in ihre Bebauungsplanungen einbezog. Das war töricht, denn viele Berliner finden angesichts des Wohnungsmangels und der steigenden Mieten die Randbebauung als notwendig, befürchten aber – wohl zu Recht –, dass es beim Bibliotheksneubau zu einer Kostenexplosion kommt, während die wichtigen Stadtteilbibliotheken aus Geldmangel vernachlässigt werden.

Berlin braucht neuen Wohnraum - auch auf dem Tempelhofer Feld

Was mehr zählt als alle Bedenken: In den nächsten 15 Jahren wird Berlin um fast 250 000 Menschen wachsen. Die meisten von ihnen werden sich keine teuren Eigentumswohnungen leisten können, sondern auf bezahlbare Mietwohnungen angewiesen sein. Von denen aber gibt es bereits heute zu wenig. Renommierte Architekturbüros zeigen, wie eine maßvolle Randbebauung des Tempelhofer Feldes aussehen könnte, durch die Platz für etwa 4700 Wohnungen gewonnen würde. Die grüne Lunge des freien Tempelhofer Feldes bliebe erhalten.

Es wäre eine Lösung, die nicht egoistisch ist, sondern das Wohl der Gesamtstadt im Auge hat. Wer Klaus Wowereit eins auswischen will, hat in zwei Jahren bei der nächsten Wahl Gelegenheit dazu.

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