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Meinung: Kleine Unschuld

Teilerfolg: In der Tempodrom-Affäre müssen Strieder und Sarrazin vorerst nicht vor Gericht

Es ist ein Teilerfolg, den der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin und der frühere Stadtentwicklungssenator Peter Strieder in der Affäre um das Tempodrom da errungen haben. Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage wegen Untreue erhoben. Das Landgericht lehnt die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Sarrazin und Strieder werden sich also vorerst nicht wegen des Vorwurfs vor Gericht verantworten müssen, versucht zu haben, 1,74 Millionen Euro aus Mitteln der Investitionsbank Berlin bewusst am Parlament vorbei in die Kassen der Stiftung Tempodrom zu leiten. Soweit zum Erfolgsteil. Nun zum Wesentlichen.

Erstens: Der Aspekt, um den es hier ging, ist nur einer von vielen und dazu finanziell wenig bedeutsam. Die Kosten des vermeintlichen Privatbaus Tempodrom stiegen während der Planungs- und Bauphase von 16 auf rund 33 Millionen Euro, das meiste davon bezahlt aus öffentlichen Kassen.

Zweitens: Das Gericht will die Hauptverhandlung nur deshalb nicht eröffnen, weil in diesem Fall der Versuch mal gescheitert war, dem Tempodrom noch mehr Landesmittel zuzuschustern: Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage konnte die Investitionsbank im Jahr 2002 nämlich gar keinen Beitrag zum Landeshaushalt leisten. Kein Schaden, keine Untreue.

Aber das Gericht stellte unmissverständlich fest: Sarrazin und Strieder „haben mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ihnen obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt“. Und weiter: Unter Missachtung förmlicher Entscheidungsverfahren und in bewusster Umgehung zwingender Vorgaben hätten die Angeklagten eine Belastung des Haushalts bezweckt. Da aber das Parlament einen eventuellen Bankbeitrag erklärtermaßen für die Schul- und Sportstättensanierung ausgeben wollte, hätten die Einnahmen nicht für das Tempodrom verwendet werden dürfen. Dies sei, so das Gericht, „unzweifelhaft“.

So sieht’s also aus: Zwei Senatoren überfallen ihre eigene Bank, obwohl gar nichts in der Kasse ist. Dumm gelaufen – und gerade deshalb Glück gehabt. Toller Erfolg.

Drittens: Neben der jetzt vom Gericht zurückgewiesenen Klage ermittelt die Staatsanwaltschaft in zwei weiteren Fällen. Zum einen geht es um den Verdacht, Strieder und die Tempodrom-Gründer hätten das Kreuzberger Veranstaltungshaus nur zum Schein als privaten Bau deklariert, aber als öffentlich finanziertes Gebäude geplant und errichtet. Zum anderen untersuchen die Ankläger, ob es neben dem auffälligen zeitlichen Zusammenhang zwischen der politischen Rettungsaktion für das Tempodrom im Jahr 2001 und mehreren finanziellen Hilfen des Tempodrom-Förderers Roland Specker für Strieders damals im Wahlkampf steckende SPD auch einen Sachzusammenhang gibt.

Das beides wiederum führt uns unmittelbar zu dem Punkt, der das Wort Erfolg im Zusammenhang mit dem Tempodrom auch an diesem Tag ganz klein und komisch aussehen lässt – sogar in der Kombination mit dem Wort „Teil“.

Also, viertens: Die Tempodrom-Affäre ist die Fortsetzung des Bankenskandals auf kleinerem Niveau, aber mit ähnlichen Mitteln – und damit sind nicht nur die Landesmittel gemeint, die dabei draufgehen. Die Parallelen sind offensichtlich, die Fragen dieselben. In der harmlosen Variante zum Beispiel: Was bringt Politiker dazu, derart fahrlässig ihren Job zu riskieren?

Der Ausgang der juristischen Verfahren sagt wenig aus über die Gründe für politisches Fehlverhalten. Auch die Anklagen und Prozesse in Sachen Bankgesellschaft berühren ja nur einen kleinen Teil des großen Skandals, der das Land in Milliardenrisiken stürzte. Aber die Verfahren tragen, egal, wie sie ausgehen, auch zur Erhellung des politischen Hintergrunds bei. Und der ist, in beiden Fällen, weiterhin arg nebulös.

Eine Erfolgsgeschichte wird das jedenfalls nicht mehr. Auch nicht für Strieder und Sarrazin.

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