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Ein junges Mädchen demonstriert auf dem Alexanderplatz gegen Rassismus.

© Geisler-Fotopress

Klima, Corona und Rassismus: Die Welt wird ihre Krisen nur mit der Jugend lösen

Nie war eine Generation so vernetzt und vereint im Kampf für eine bessere Zukunft. Die Politik kann davon nur profitieren – wenn sie es zulässt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ann-Kathrin Hipp

Die Welt ist eine Dauerkrise. Nur die Präfixe ändern sich. Finanz-, Flüchtlings-, Klima-, Corona- und über allem die Ungerechtigkeitskrise, die nur deshalb keiner so nennt, weil sie omnipräsent ist und immer schon war. Was alle Krisen gemeinsam haben: Sie spielen global – und allein so lassen sie sich auch lösen. Das Problem? Die zumeist älteren Krisenmanager bleiben unter sich und sind verhaftet in ihren alten Strukturen. Dabei lassen sich Probleme viel besser gemeinsam lösen. Und bestenfalls auch: generationenübergreifend.

Auf den Straßen aller Länder stehen sie längst bereit: die unter 30-Jährigen, die politisch engagiert sind und gewillt, den Wandel – der an Konservatismus, Nationalismus, Realpolitik, Sachzwängen und Legislaturperioden scheitert – einzuleiten. Sie haben Träume und Tatendrang, wollen Utopien umsetzen und erheben ihre Stimmen. Nicht alle, aber doch die meisten für eine bessere Welt. Für das Klima. Gegen Populisten. Für die Gleichheit. Gegen Rassismus. Dieser Tage für den durch Polizeigewalt getöteten Schwarzen US-Amerikaner George Floyd.

Viele, die sich vor dem Weißen Haus versammeln und weltweit zu Zusammenhalt aufrufen, gehören zu den Generationen Y und Z. Ex-US-Präsident Barack Obama sagt: „Ein Teil dessen, was mich so hoffnungsvoll gemacht hat, ist die Tatsache, dass so viele junge Menschen mobilisiert, aktiviert und motiviert wurden. Denn historisch gesehen ist so viel des Fortschritts, den wir in unserer Gesellschaft gemacht haben, auf die jungen Menschen zurückzuführen.“ Dank ihnen finde „ein Wandel in der Denkweise statt, gibt es eine größere Erkenntnis, dass wir es besser machen können“.

Black lives matter: Viele junge US-Amerikaner haben vor dem Weißen Haus gegen rassistische Polizeigewalt demonstriert.
Black lives matter: Viele junge US-Amerikaner haben vor dem Weißen Haus gegen rassistische Polizeigewalt demonstriert.

© REUTERS / Joshua Robert

Wie viel besser könnte man die Welt erst machen, wenn die Jüngeren auch in die bestehenden politischen Systeme integriert würden? Vielleicht durch einen einfacheren Weg als die Parteizugehörigkeit? Vielleicht durch Quoten?

Ein Bewusstsein für globale Probleme

Obwohl etwa die Hälfte der Weltbevölkerung jünger als 30 Jahre ist, sind in den Parlamenten weltweit nur knapp zwei Prozent von ihnen vertreten. Das globale Alter der Parlamentarier liegt bei 53. In Deutschland sind fünf von 709 Bundestagsabgeordneten unter 30. In den USA ist es keiner. Kein Wunder: Für das Repräsentantenhaus darf überhaupt erst kandidieren, wer mindestens 25 Jahre alt ist, für den Senat gilt das Mindestalter 30. „Macht, alt, vorwiegend männlich, sucht jung, dynamisch, gerne weiblich“ wäre eine berechtigte Anzeige. Doch die Anzeige bleibt aus.

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Dabei ist der Grund, die Jüngeren einzubeziehen, weil sie auf und mit dieser Welt die längste Zeit leben werden, nur der offensichtlichste. Viel wichtiger: Da lärmt gerade wahrscheinlich die erste Generation, die sich der Welt zugehörig fühlt und nicht Nationen. Menschen, die mit einem ausgeprägten Bewusstsein für globale Probleme aufgewachsen sind und sich selbst in der Pflicht sehen, sie zu lösen. Für die das Ferne nah ist und glokale Denkmuster normal. Die jeden Einzelnen als Teil des Ganzen sehen. Flexibel und vernetzt. Voller Gerechtigkeitssinn und Progressivität.

Dass sich die Jugend nicht an das gewöhnen will, womit sich andere abgefunden haben, war immer so. Rebellischer Reflex. Doch nie war eine Generation weltweit so vernetzt und so vereint im Kampf für ein übergreifendes politisches Ziel: eine gute, gemeinsame und gerechte Zukunft. Wandel wird aus Mut gemacht. Wir müssen sie nur lassen.

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