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Klimawandel: Eine bequeme Unwahrheit

Der Klimawandelkritiker Fritz Vahrenholt hat ein Buch geschrieben - und nun herrscht große Aufregung. Ein Erklärungsversuch.

Fritz Vahrenholt hat bereits als Chemiker, Politiker und Manager gearbeitet. Nun ist er, wohl unbeabsichtigt, auch noch Therapeut. Er stellt eine Behauptung auf, die jeder, der einigermaßen bei Verstand ist, als Unfug ignoriert. Aber nicht wir, nicht nach Erscheinen seines Buchs „Die kalte Sonne“: Demnach spielt die Sonne die entscheidende Rolle beim Klimawandel und spricht uns Menschen weitgehend frei. Dass es Leute gibt, die Vahrenholt und Co-Autor Sebastian Lüning für ihren Mut loben, endlich die geld- und geltungsgierigen Klimaforscher zu entlarven, war klar.

Erstaunlich ist, wie heftig eine breite Öffentlichkeit reagiert. Offenkundig hat der Therapeut einen wunden Punkt getroffen. Vahrenholt durfte seine Gedanken ausbreiten, oder der Platz wurde genutzt, um seine Thesen zu widerlegen und bei der Gelegenheit gleich noch zu erklären, warum die sibirischen Tage bei uns ein deutliches Zeichen der Erderwärmung sind.

Woher kommt dieser Rechtfertigungsimpuls? Diejenigen, die in dem RWE-Manager einen Messias sehen, werden sich auch von der 128. Beweisführung zur Mitschuld des Menschen am Klimawandel nicht überzeugen lassen. Oder sind wir uns in dieser Frage selbst nicht mehr so sicher? So sicher, wie man sein sollte, um beispielsweise die Energieversorgung eines Industrielandes völlig umzukrempeln?

Zugegeben, Vahrenholts Thesen sind verlockend. Hätte er recht, könnten wir die Energiewende, die langsam anfängt wehzutun, einfach abblasen und ohne schlechtes Gewissen große Autos und Flugtickets kaufen. Die Hauptschuld an der aktuellen Klimaänderung trägt schließlich die Sonne. Eine bequeme Unwahrheit.

Die Wahrheit ist nicht nur unbequem, sondern vor allem kompliziert. Es ist zum großen Teil das von uns ausgestoßene Kohlendioxid, das die Erderwärmung antreibt. Aber auch Methan und Lachgas sind dabei, ebenso Ruß – um nur die wichtigsten Klimafaktoren zu nennen. Die schwankende Aktivität der Sonne hat ebenfalls einen Einfluss, aber einen viel geringeren, als „Klimakritiker“ behaupten. Zudem sind viele kleine Rädchen im großen Klimagetriebe entweder noch nicht entdeckt, oder es ist unklar, über welche Achsen sie mit anderen Rädchen verbunden sind.

Dieses komplexe Bild wird jedoch von der Politik, den Medien und manchen Politikberatern aus der Wissenschaft selten präsentiert. Oft wird der Klimawandel allein mit CO2 begründet – und Unsicherheiten, die gibt es nicht.

Solche Vereinfachungen, das spüren viele, entsprechen selten der Realität. So wächst Misstrauen, das empfänglich macht für Theorien wie die der „kalten Sonne“. Spätestens dann, wenn die als Tor zur Apokalypse stilisierte Erwärmung von mehr als zwei Grad erreicht ist, könnte das Vertrauen völlig verspielt sein. Es ist durchaus möglich, dass das Leben für viele eben doch einigermaßen gut weitergeht.

Vielleicht hilft uns die Therapie, in Sachen Klima endlich von flachen Aussagen wegzukommen. Wo Forscher sagen dürfen: „Es gibt auch Profiteure der Erwärmung“ oder „Da sind wir uns nicht sicher“. Und wo wir Medien diese Sätze nicht immer wegstreichen, weil sie nicht zur These passen.

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