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Gräfin Nayhauß will einen Kinder-Knigge schreiben, damit sie eine "ordentliche Figur" am Tisch abgeben.

© dpa

Knigge für Kinder: Kinder für "königliche Tafel" aufrüsten

Vorschulkinder sollen Tischmanieren lernen, so zumindest will es Gräfin Nayhauß, die einen Kinder-Knigge schreibt. Unser Kolumnist Matthias Kalle glaubt, dass die Kinder dadurch nur zu langweiligen Erwachsenen erzogen werden. Und empfiehlt den Eltern einen Knigge.

Lustig, oder? Wie sich das Feuilleton jetzt darüber aufreget, dass „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ für den Grimme-Preis nominiert ist. Dabei ist das Feuilleton daran ja selber Schuld – durch deren Betrachtungen, Einordnungen, Interpretationen wurde das Fernsehformat doch erst aufgewertet, erst durch diese unzähligen Texte hat sich die Grimme-Preis-Jury doch erst getraut, die Sendung zu nominieren. Aber hinterher will es wieder keiner gewesen sein und alles war nur ein Missverständnis.

Kommen wir zu etwas komplett anderem: Am Montagmorgen fiel mir vor Schreck die Zigarette aus dem Mundwinkel, als ich auf Seite sechs der „Bild“ folgendes erfahren musste: „Gräfin Nayhauß schreibt einen Knigge für Kleine.“ Das mit der Zigarette muss ich kurz erklären. Ich rauche ja sehr viel, aber ich rauche wie damals als 15-Jähriger: heimlich, versteckt, ich achte darauf, dass mich dabei niemand sieht, dass ich mit meiner Sucht niemanden belästige, aber darum geht es ja diesmal gar nicht.

Es geht darum, dass es da jetzt dieses Buch gibt, von dem Bild behauptet: „So bringen Sie Ihrem Kind schon ganz früh Benehmen bei.“ Dieser Ratschlagcharakter erinnert an einen Blinden, der zum Seminar lädt „So sehen Farben aus“ – bisschen absurd, irgendwie, aber es wird noch absurder. Gräfin Nayhaus, die mal im Fernsehen bei einem Mittagsmagazin die Rubrik „Dingdong“ moderiert hat, hat das Buch nämlich nicht alleine – wie sagt man? – geschrieben, „Bild“ weiß: „Tamara Gräfin von Nayhauß (40) hat jetzt mit „Disney“ einen Knigge für Vorschulkinder geschrieben.“ „Disney“ ist dieser Konzern, der unter anderem die Filme „Dschungelbuch“ und „Bambi“ gemacht hat und auf die Frage von „Bild“ „Wie handhaben Sie die Fernseh-Frage?“ antwortet Gräfin Nayhauß: „Fernsehen dürfen sie (sie meint ihre Kinder, Maximilian, 5, und Louis, 2). Aber ich sitze dabei. Meistens sind es DVDs. Gerade durch Filme wie „Dschungelbuch“ und „Bambi“ lernen sie (sie meint ihre Kinder, Maximilian, 5, und Louis, 2), respektvoll miteinander umzugehen, hilfsbereit zu sein.“ Na ja. Was „Bambi“ angeht, so gibt es wohl kaum einen anderen Film, der durch den Einsatz des „Kindchenschemas“ die Zuschauer stark manipuliert – ganz abgesehen davon, dass die Szene, in der Bambis Mutter stirbt, weder für einen 2-Jährigen noch für einen 5-Jährigen unbedingt zu empfehlen ist. Der große US-Filmkritiker Roger Ebert schrieb 1988: „Bambi ist ein sehr ernster Film. Ich weiß nicht, ob einige kleine Kinder dafür schon bereit sind. In den Annalen der größten und traurigsten Momente der Kinogeschichte rangiert der Tod von Bambis Mutter ganz oben.“

Was das alles mit Benehmen zu tun hat? Keine Ahnung. Aber zum Glück stehen in „Bild“ ja auch noch „5 Tipps, die Sie Ihren Kindern vorlesen können“, unter anderem der hier: „Wenn du dir vor dem Essen die Hände wäschst und mit dem Besteck statt mit den Fingern isst, wirst du an jedem Tisch eine ordentliche Figur machen. Und wenn du dir am Ende noch mit der Serviette den Mund abwischst, die Ellenbogen vom Tisch lässt, nicht schmatzt und nicht mit vollem Mund sprichst, dann kannst du dich fast schon an eine königliche Tafel wagen.“ Das Buch soll sich angeblich an Vorschulkinder richten, für die gibt es ja bekanntlich nichts erstrebenswerteres als an „jedem Tisch eine ordentliche Figur“ zu machen und sich an „eine königliche Tafel“ zu wagen. Aber hätte man nicht auch gleich schreiben müssen, was man eigentlich meint? „Wenn du ungezogenes Blag dich endlich mal zusammenreißen würdest und dich nicht dauernd wie ein 4-Jähriger benimmst, sondern wir ein langweiliger Erwachsener, dann dürfest du auch bei uns am Tisch sitzen und wir würden dich nicht mit „Disney“-DVDs ruhig stellen!“

Ich glaube nicht, dass Vorschulkinder einen Knigge brauchen. Ich glaube, dass Kinder schon früh genug lernen was es heißt ein langweiliger Erwachsener zu sein, der sich bemüht, um ja nicht unangenehm aufzufallen. Ich glaube allerdings, dass manche Eltern einen Knigge gut gebrauchen könnten, wo drinsteht, wie sie sich verhalten sollten, um anderen Menschen und ihren eigenen Kindern nicht so auf die Nerven zu gehen. Ach, zum Glück habe ich ja vor zwei Jahren so ein Ding herausgegeben, zusammen mit meiner Kollegin Tanja Stelzer. „Der Elternknigge“ heißt das Buch, Unterzeile: „Darf Papa auf dem Spielplatz rauchen?“ Die Antwort lautet übrigens „Nein!“. So schließt sich der Kreis.

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