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Meinung: Koalition in der Krise: Sag mir Lando, sag mir wann

Zugereiste halten den Berliner für vorlaut und überheblich, um es vornehm auszudrücken. Das ist ein krasses Fehlurteil.

Zugereiste halten den Berliner für vorlaut und überheblich, um es vornehm auszudrücken. Das ist ein krasses Fehlurteil. Denn meistens ist der Berliner nett und gehemmt, wie sich zeigt. Und zur Zeit ist er auch noch ziemlich ratlos, wenn nicht gar verzweifelt.

Beginnen wir mit zwei typischen Berlinern, mit Klaus Landowsky und Eberhard Diepgen. Der eine, Landowsky, weiß genau, dass seine Zeit abgelaufen ist, dass er gehen muss, nein: müsste. Mehr als zwei Drittel aller Berliner sehen das genauso, sogar fast die Hälfte der CDU-Anhänger und die Mitglieder des CDU-Ehrenrates. Sie sind nur so nett, es ihm nicht ganz so offen und brutal zu sagen. Sie hoffen, dass der Macher Landowsky auch seinen Rücktritt alleine macht.

Aber Landowsky weiß einfach nicht, wie es ohne ihn weitergehen könnte, wie sich die Stadt alleine gegen die vereinigten Sozialisten von SPD, PDS und Grünen wehren kann. Deshalb bleibt er. Ratlos und verzweifelt. Der andere, Diepgen, weiß das alles auch, aber er traut sich nicht, es seinem Freund Landowsky glasklar zu sagen. Er sendet nur wenig verschlüsselte Signale aus, die fast jeder versteht - bis auf Landowsky. Der ist nicht mehr auf Empfang.

Ratlos und verzweifelt ist sie, die politische Elite der Stadt. Und was ist mit der SPD? Die Anziehungskraft der sicheren Regierungsbank und die Fliehkraft aus den erdrückenden Armen der CDU heben sich gegenseitig auf. Die SPD kämpft, ohne zu wissen, wofür und wogegen. Sie hat kein Ziel, nur einen Traum. Sie möchte wieder so stark sein wie unter dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Und sie möchte wieder einen Willy Brandt haben. Ach und weh.

Kommen wir zum Wähler und zur Wählerin, den unentschlossenen Wesen. Seit zehn Jahren erleichtern sich die Berliner bei Umfragen mit vernichtenden Noten für die Koalition und ihre Koalitionäre. Seit zehn Jahren belasten sie sich bei Wahlen mit eben dieser Koalition und eben diesen Koalitionären. Auf ein Neues.

Die beiden anderen möglichen Bündnisse, schwarz-grün oder rot-rot-grün, sind noch unbeliebter. Trotz Spendenskandal, trotz Bankenpleite, trotz lammfrommer PDS und lammfrommen Grünen. Weniger als zwanzig Prozent der Berliner wollen, dass die SPD mit diesen beiden Partnern die CDU aus dem Senat kippt. Aber fast vierzig Prozent der Berliner wollen Neuwahlen, möglichst sofort. Warum nur? Was wollen sie bloß, diese Berliner? Neu wählen, um wieder alles beim Alten zu lassen?

Eigentlich ist die Berliner Situation optimal für kleine, auch für radikale Parteien. Sie könnten alles aufmischen. Wenn sie könnten. Aber die FDP, zum Beispiel, ist in der Stadt nicht zu sehen. Die Liberalen dürfen sich nicht wundern, wenn ihretwegen bei Meinungsumfragen eine neue Kategorie eingeführt wird: Diese Partei ist mir unbekannt. Andere kleine Parteien, die "Sonstigen", liegen bei fünf Prozent. Protest ist nicht zu spüren. Nur Ratlosigkeit und Verzweiflung.

Damit zurück zu Klaus Landowsky und Eberhard Diepgen. Und hier löst sich das Rätsel auf. Die Berliner wollen nicht unbedingt andere Parteien oder andere Koalitionen. Aber sie halten nicht viel von ihrer politischen Elite. Kein Politiker schneidet gut ab bei Meinungsumfragen, egal von welcher Partei. Viele Spitzenpolitiker sind einer großen Zahl der Wähler völlig unbekannt. Dabei sind die meisten von ihnen gar keine schlechten Menschen. Aber darauf kommt es eben allein nicht an.

Klaus Landowsky ist ganz unten angekommen. Die Berliner mögen ihn nicht mehr. Dabei hat er die Politik der Stadt mitgeprägt. Ganz nebenbei, muss man sagen, denn eigentlich war er ja Banker. Er hatte seine Talente verteilt, um unabhängig zu sein. Am Ende ist er genau darüber gestürzt: Zu sehr Banker für einen Politiker, zu sehr Politiker für einen Banker. Das wird ihm, da es jetzt so eklatant deutlich ist, nicht verziehen. Die Leute haben gedacht, er wäre nur für sie da. Was wäre aus ihm geworden, hätte er sich konzentriert? Viele wie ihn gibt es nicht in der Stadt. Nein: gab es nicht. Denn der Fraktionsvorsitzende Landowsky ist nicht mehr.

Hintergrund: Online Spezial zur Landowsky-Affäre Die Empfehlungen des CDU-Ehrenrates im Wortlaut

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