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Koalitions-Aus: Die Grünen werden noch bereuen

Eben noch auf dem Weg zur Volkspartei, jetzt krachend in der Leitplanke der A 100 gelandet: Rot-Schwarz demonstriert Harmonie, und schon sind die Grünen vergessen.

Das tut weh. Eine Woche nach dem großen Bruch, als Rot-Grün krachend gegen die Leitplanke der A 100 fuhr, spricht niemand mehr in Berlin von der Traum-Koalition. Dafür startet das rot-schwarze Projekt demonstrativ harmonisch: Klaus Wowereit und Frank Henkel krawattenlos im weißen Hemd, den obersten Knopf offen – so wie vor zehn Tagen Wowereit und der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann.

Vorbei: Das begreifen die Grünen langsam; Ratzmann beschwört schon wieder Gemeinsamkeiten mit der SPD. Doch wer sich zu dumm anstellt, sollte nicht über verpasste Chancen klagen. Das nehmen auch grüne Wähler übel. Nicht nur in Berlin. Die Bundespartei muss sich ebenfalls überlegen, ob ihre Programmatik noch dem veränderten Anspruch entspricht. Wer Koch sein will, muss Angebote auf der Speisekarte haben. In Berlin jedenfalls ist die Partei mit ihrem Nein zur Autobahn dem Auftrag nicht gerecht geworden.

Welche Infrastruktur das Land braucht und wie man mit Interessenkonflikten umgeht, werden die Bundes-Grünen beantworten müssen. Strom-Trassen, um die Energie der Windparks zu den Verbrauchern zu leiten, flächenfressende Solaranlagen, neue Bahnstrecken und Autobahnen kollidieren immer mit den Vorstellungen von Anrainern. Wenn die Koalition nicht schon an drei lächerlichen Autobahnkilometern gescheitert wäre, hätte es bei der notwendigen zweiten Ausbaustufe für Berlins Großflughafen erneut geknallt.

Opposition zu können haben die Grünen bewiesen. Die eigene Nachhaltigkeit aber wird sich dort erweisen, wo die einstigen Ökos in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen, vor allem in den Großstädten: wo Grün die liberalen Mittelschichten erreicht, die werteorientierten Familien, für die Bürgerrechte, Anti-AKW-Protest, gute Schulen und Wirtschaftswachstum gleichermaßen wichtig sind. In diesem Milieu haben die Grünen in den vergangenen Jahren zugelegt und sind – wie in Kreuzberg – teilweise zur Mehrheitspartei geworden. Bei diesen Wählern ruft eine Renate Künast, die die SPD böse anranzt, das werde man ihr nie verzeihen, nur Kopfschütteln hervor.

Der Nachhall des Koalitionsfiaskos wird weitreichend sein. Eben noch auf dem Weg zur kleinen Volkspartei, die neue Wählerschichten bindet, könnten fünf Oppositionsjahre die Grünen einer Regierungsbeteiligung nicht näherbringen, sondern sie zurückwerfen. Vor allem dann, wenn Rot-Schwarz konfliktfrei funktioniert. Denn Berlin, wo Rot-Rot viele richtige Strukturentscheidungen getroffen hat, könnte in den nächsten Jahren eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte werden.

Die Grünen dagegen müssen sich im Abgeordnetenhaus als eine von drei Oppositionsparteien behaupten. Wer sind die Linkesten im Lande?, so könnte der fatale Wettbewerb heißen, zu dem sich die frühere Alternative Liste gegenüber Linkspartei und Piraten herausgefordert fühlt.

Doch wer nur im Früher lebt, entwirft keine Zukunftskonzepte, sondern sabotiert den eigenen, mühsamen Lernprozess. Nicht nur Autobahnen sind aus Beton.

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