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Geschenke auf Pump? Der Koalitionsvertrag ist da.

© dpa

Koalitionsvertrag von Union und SPD: Eine schöne Bescherung!

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD macht Geschenke wie an Weihnachten und kostet dementsprechend mehr, als der Finanzminister erlaubt hat. Trotzdem ist das gut so. Und einiges wird ohnehin nicht umgesetzt werden.

Von Antje Sirleschtov

Als Angela Merkel das letzte Mal einen Koalitionsvertrag ausverhandelt hat, das war übrigens am 25. Oktober 2010, da rief ihr damaliger Partner von der FDP, Guido Westerwelle, voller Stolz in die Runde, er habe sich „überall durchgesetzt“ . Wie übel die Sache zu Ende ging, weiß mittlerweile jeder. Trotzdem wird es auch nach dieser Nacht in Berlin und München wieder reihenweise Politiker geben, die sich auf die Schultern klopfen und als Sieger bezeichnen.
Und irgendwie stimmt es ja auch. Was die CDU-Kanzlerin mit Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) da in der letzten Nacht ausgeheckt hat, sieht auf den ersten Blick wie der Gabentisch einer ziemlich wohlhabenden Familie am Heiligen Abend aus: Jeder durfte einen Herzenswunsch äußern. Jeder hat bekommen, was er wollte. Und wer das bezahlen wird, wird man dann nach Weihnachten sehen.
Schöne Bescherung, dieser Koalitionsvertrag! Und zwar im doppelten Sinn. Ja, die Volksparteien haben viel geschimpft im Wahlkampf auf den jeweils anderen und dessen Pläne für die Zukunft. Und sie haben sich nun trotzdem gegenseitig das verehrt, was sie bis Mitte September noch als Teufelszeug und wirtschaftsfeindlich, unsozial und nicht zu bezahlen gegeißelt haben.

Trotzdem ist die Summe der Pakete auf dem Gabentisch der großen Koalition gut. Sie stärkt das Gerechtigkeitsgefühl im Land, sie überfordert die Wirtschaft nicht, und zu bezahlen wird das Ganze wahrscheinlich auch sein.

Kommt keine Krise, wird alles funktionieren

Doch zum Detail: Zuerst die wichtigste Zahl der vergangenen Nacht. 23 Milliarden Euro soll der Vertrag von Union und SPD die Steuerzahler kosten. Das sind 7 Milliarden Euro mehr, als der Finanzminister mit seiner Haushaltsplanung den Verhandlern bis 2017  zugestanden hat. Nun könnte man meinen, dass zwangsläufig die Steuern oder die Schulden erhöht werden müssen, wenn diese sieben Zusatzmilliarden eingefahren werden müssen. Aber davor wird nicht nur der Wirtschaftsflügel der Union stehen.

Das haben die nämlich  den Wählern versprochen und das müssen sie 2017, bei der nächsten Wahl also, auch nachweisen, um ihren Wählern noch einmal ins Auge blicken zu können. Höhere Steuern oder mehr Staatsschulden sind auch nicht unbedingt nötig, wenn die Konjunktur einigermaßen läuft. Man könnte sagen: Wolfgang Schäuble hat bei seinen Planungen ein bisschen konservativ gerechnet und Merkel, Gabriel und Seehofer haben gestern Nacht einen Wechsel auf die Zukunft ausgestellt: Alles wird funktionieren, wenn nicht wieder irgendwo eine Krise auftaucht.

Bei den anderen großen Projekten, die bis zuletzt strittig waren, ist es in jedem Fall das Gleiche: Die Überschrift lässt diejenigen jubeln, die das Projekt durchsetzen wollten. Und das Kleingedruckte kann die beruhigen, die schon den Gang zum Schafott fürchteten, wenn sich die Gegenseite durchsetzt.

Nehmen wir den Mindestlohn zuerst: Ja, es ist gut, dass es dieses Signal gibt. 8,50 Euro ab 2015, aber mit Ausnahmen, die die Tarifpartner in der Mindeslohnkommission festlegen können. Das wird einzelnen Branchen und Regionen, speziell im Osten Deutschlands, die Möglichkeit geben, sich dem Niveau anzunähern und sich auf höhere Personalkosten einzustellen. Den Untergang des Wirtschaftsstandortes Deutschland wird dieser Mindestlohn nicht einläuten.

Die Maut wird die CSU selbst beerdigen dürfen

Und die Rente mit 63 auch nicht. Wer genau hinsieht, der wird feststellen, dass die Großkoalitionäre ein wichtiges Detail verändert haben. Abschlagsfrei in Rente wird in Zukunft mit 63 Jahren nämlich nicht derjenige gehen können, der 45 Jahre rentenversichert war, sondern nur der, der 45 Jahre Beiträge bezahlt hat. Und das dürfte nicht nur gegenwärtig ein überschaubares Häuflein Älterer sein. In Zukunft wird diese Gruppe angesichts der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wohl auch immer kleiner werden.

Bleibt zum Schluss die Pkw-Maut für Ausländer, der Weihnachtswunsch von Horst Seehofer. Nun ja, da darf man sehr gespannt sein. Wahrscheinlich werden die Bayern ihr Lieblingsprojekt am Ende selbst beerdigen müssen. Denn ihnen wird wohl das Verkehrsministerium zufallen, und von dort wird die große Koalition der Maut-Gegner einen Vorschlag zum Gesetz einfordern, der zwei sehr schwer zu erfüllende Bedingungen erfüllen muss: Europatauglich muss die Maut sein und niemand in Deutschland darf drauf zahlen. Man darf gespannt sein. Unterm Strich ist dieser Koalitionsvertrag also gar kein so schlechter Fahrplan für die kommenden vier Jahre. Nicht sehr innovationslastig und auch nicht gerade ein Sparplan. Aber beides stand auch nicht unbedingt ganz oben auf dem Wunschzettel, den die Wähler von Union und SPD beim Weihnachtsmann abgegeben haben.

Die SPD? Soll jetzt ihre Chance ergreifen!

Nun könnte es also losgehen mit dem schwarz-roten Regieren. Wenn, ja wenn es denn losgehen könnte. Doch nun wartet die Republik noch auf ein Votum der SPD-Mitglieder. Wer nicht dazu gehört, wird gerade jetzt, wo das Regieren endlich anfangen könnte, den Kopf schütteln. Und irgendwie kann man das auch verstehen. Schließlich befindet sich nun bis knapp vor Weihnachten ein ganzes Land in der Hand von ein paar Parteimitgliedern und muss bangen, dass die so gnädig sind, der Republik das politische Chaos und Neuwahlen zu ersparen.

Den Sozialdemokraten, die nun abstimmen dürfen, sei daher zweierlei gesagt: Erstens: Die SPD kämpft seit Jahren für den Mindestlohn. Jetzt gibt es eine Chance ihn durchzusetzen. Ergreift sie, sie kommt wahrscheinlich sonst so schnell nicht wieder! Und zweitens: Seid Euch der Verantwortung bei der Stimmabgabe bewusst. Es geht hier nicht nur um Euch, es geht um uns alle.  

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