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Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg während der Fragestunde im Bundestag.

© dpa

Körpersprache: Menschenfänger im Bundestag

Karl-Theodor zu Guttenberg kann seine Sympathiewerte halten oder sogar noch steigern. Wie macht er das? Der Psychotherapeut Ulrich Sollmann nimmt die Körpersprache des Verteidigungsministers während der Fragestunde im Bundestag unter die Lupe.

Herr zu Guttenberg hat sich schon vor langer Zeit als bekennender Hardrocker und Fan von AC/DC geoutet. Die Musik des Hard Rock will nicht dadurch überzeugen, was sie ist, sondern wie sie wirkt. Guttenberg verhielt sich in der Fragestunde des Bundestags am Mittwoch konsequent im Lichte dieser Tradition. Schaltet man den politischen Ton der Erörterung ab, und schaut man auf die subtil wirkende, vor allem auch nonverbale Inszenierung seines Auftritts erkennt man typische Verhaltensmuster, die vor allem unter hoher Belastung deutlicher zur Wirkung kommen. Diese Wirkung kann man in einer solchen Situation oft nicht bewusst steuern. Diese Verhaltensmuster sind eher typisch für die Person - auch in anderen Situationen, ohne dass man das als Außenstehender im einzelnen so erkennt. Sie sind typisch für ihn und schaut man genau hin, liest man wie in einem besonderen, intimen Buch.

Er beantwortet die erste Frage, welche Signale er aussenden würde, verbal und körpersprachlich. Er ist extrem verhalten und in sich gebremst. Schaut man genau hin, sieht man, dass er in sich körperlich bebt. Seine Augenlider sind, während er antwortet, immer wieder gepresst geschlossen gehalten, so als würde er sie mit aller Mühe verschließen, um nicht sehen zu müssen und nicht gesehen zu werden. Obwohl er im Zentrum der öffentlichen Bühne steht. Dann wieder blickt er mit leicht gesenktem Kopf lauernd, mit adlersscharfem Blick auf sein Gegenüber, als würde er nur darauf warten, ihn endlich mit einem Überraschungsangriff attackieren zu können. Ganz im Unterschied zu sonst wiegt sein Kopf hin und her. Sein Nacken kann die extreme Spannung kaum halten. Um dann gleich bei der zweiten Frage den Gegenangriff zu starten, indem er Trittin vor übler Nachrede warnt.

Guttenberg bleibt aber hart in der taktischen Reserve. Er hätte, auf Trittins ergänzende Nachfrage hin, eine Erklärung und kein Ehrenwort abgegeben. Guttenberg, bemüht im Florettfechten, kann aber die sichtbare Sprengkraft, das körperlich sichtbare Beben nicht verbergen.

Gastautor Ulrich Sollmann.
Gastautor Ulrich Sollmann.

© Marc Steffen Unger

Gut gebrieft liest Guttenberg die weiteren Antworten ab und wird zusehends sicherer. Seine körperliche Starre scheint zu verschwinden, er steht lässiger da und lächelt. Lächelt ganz überraschend, um durch seine großzügig wirkende Handgestik sein Gegenüber, in diesem Fall eher die Menschen draußen am Fernseher, zu einer subtilen Verbrüderung einzuladen. Um schließlich durch die Sympathie suchende Metapher von der Suche nach der Quadratur des Kreises, konkret um Nachsicht zu bitten.

Guttenbergs Auftritt scheint, wie durch die Umfrageergebnisse belegt, ein zusätzlicher Kitt zu sein, die identifikatorische Bindung zwischen diesem Politiker (-typ) und den Menschen zu festigen. Spätestens hier wird klar, dass es nicht mehr nur um den Fall Guttenberg geht. Es geht um die Frage, wie ein Politiker es schafft, solch hohe Sympathiewerte über eine so lange Zeit und trotz heftiger eindeutiger Verfehlungen halten oder sogar noch steigern kann. Dies berührt auch die Frage, wie man die Identifikationsprozesse zwischen Wählern und Politik / Politikern verstehen und vor allem wie man ihnen begegnen kann.

Der Fall Guttenberg kann in dieser Hinsicht die Augen öffnen. Lädt er doch gerade dazu ein, sich zu fragen, welche emotionalen Milieus Guttenberg in der Gesellschaft bedient. Guttenberg wird durch seine Inszenierungen zu einem Modell für verunsicherte Menschen und hilft gegen unbewusste Ängste. Dies war auch vor der Plagiat-Affaire schon so. Man identifiziert sich mit seiner ästhetischen Erscheinung und kann die eigene Selbstunsicherheit, Minderwertigkeitsgefühle, Neid abwehren. Man identifiziert sich mit seinem Eingeständnis von Fehlern und wehrt die eigenen Inkompetenzgefühle ab. Man identifiziert sich mit seiner adligen Herkunft und wehrt die eigenen Verarmungsängste ab. Man identifiziert sich mit seinem sympathisch wirkenden Hard-Rock-Habitus und wehrt die eigenen Verlustängste gegenüber Politikern sowie Politik überhaupt ab, nämlich sowieso keinen Einfluss auf Politik zu haben.

Menschen basteln sich ihr eigenes Bild vom Politiker. Das Bild, das sie selbst unbewusst brauchen. Man schaut hin und ist gefangen, oft gefangen im ersten Eindruck. Bekanntlich prägt dieser erste Eindruck die Beziehungschemie zum Gegenüber. Und ist sehr resistent gegenüber sachlichen Argumenten. So geschehen bei Herrn zu Guttenberg.

Betrachtet man den gestrigen Auftritt im Bundestag unter dem Aspekt des "emotionalen Gaukelspiels" (Ottomeyer) beginnt man mehr von der körpersprachlichen Suggestivkraft dieses Politikers / dieses Politikertyps zu verstehen. Ist er doch gerade dadurch so erfolgreich, dass er ein feines Gespür für diese jeweils unterschiedlichen Gefühlslagen bei den Menschen hat.

Guttenberg beherrscht, ähnlich wie zum Beispiel Haider es früher vermochte, diese Inszenierungen, indem er gerade auch die Klaviatur des nonverbalen Ausdrucks beherrscht. "Eben hart in der Pose und weich in der Seele".

Politiker aller Parteien tun gut dran, sich diesen Spiegel (selbst-)kritisch vor Augen zu halten, wollen sie die Popularität Guttenbergs verstehen, sowie die Wähler über Identifikation erreichen, um die nächste Wahl zu gewinnen.

Ulrich Sollmann (www.sollmann-online.de) arbeitet als Berater und Coach in Wirtschaft, Politik und Industrie. Er ist Inhaber einer Praxis für Körper-Psychotherapie und bioenergetische Analyse in Bochum. Sollmann ist Begründer von charismakurve.de, einer Website, auf der Internetuser die Ausstrahlung von Spitzenkandidaten im Bundestagswahlkampf bewerten. Zudem publiziert er in verschiedenen Medien.

info@sollmann-online.de

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