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Meinung: Kofi Annan: Mann ohne Feinde

Der Mann, den die Freie Universität heute mit der Ehrendoktorwürde auszeichnet, scheut keine Konflikte. Dennoch scheinen ihn alle zu mögen.

Von Hans Monath

Der Mann, den die Freie Universität heute mit der Ehrendoktorwürde auszeichnet, scheut keine Konflikte. Dennoch scheinen ihn alle zu mögen. Mit Kofi Annans Wirken als Generalsekretär der Vereinten Nationen verbinden sich keine strahlenden Visionen. Doch der 63-jährige Ghanaer wurde kürzlich von den fünf Vetomächten im Sicherheitsrat der UN einstimmig für eine zweite Amtszeit nominiert. Selten war die Wahl eines UN-Generalsekretärs so früh gesichert.

Annans Ansprüche sind bescheidener als die seines Vorgängers Boutros-Ghali, der nur wenige Jahre nach dem welthistorischen Umbruch von 1989 ins Amt gekommen war und als Programm eine Zukunft vertrat, von der damals viele außerhalb der Vereinigten Staaten träumten: Boutros-Ghali wollte eine Welt, in der die nationalen Egoismen zugunsten gemeinsamer Interessen überwunden werden. An der realen Macht aber scheiterte er, als er sich mit den USA überwarf.

Zwar preist der frühere US-Diplomat Richard Holbrooke Kofi Annan lautstark als bislang besten UN-Generalsekretär überhaupt. Und doch ist der Ghanaer kein willfähriger Agent der Supermacht. Wäre er es, hätte sich die Organisation Afrikanischer Staaten nicht im März einstimmig für seine Wiederwahl eingesetzt. Annan steht der amerikanischen Politik keineswegs unkritisch gegenüber, auch wenn er seine Einwände stets diplomatisch formuliert und die atmosphärischen Verstimmungen zwischen Washington und der UN-Spitze überwinden konnte. Nicht umsonst wird er in Moskau als Verbündeter geschätzt, der verhindern soll, dass sich die Welt einem Machtanspruch unterordnet - dem Washingtons. In China wiederum gilt der UN-Generalsekretär als Fürsprecher der Entwicklungsländer, als deren Führungsmacht sich China sieht. Es spricht in diesem Zusammenhang bestimmt nicht gegen ihn, dass die Volksrepublik China vor seiner Wiederwahl zögerte, weil Annan stets klare Worte zu den Menschenrechten findet.

Für Deutschland ist es von Vorteil, dass mit Annan ein Diplomat die UN führt, der sich als zwar Anwalt, aber nicht als Vorkämpfer der Dritten Welt versteht und auch nicht in der Tradition klassischer Großmachtpolitik groß geworden ist. So hat sich Annan einen eigenen, einen unabhängigen Blick bewahrt. Kurz vor seiner ersten Wahl hatte Annan 1996 vehement eine größere Rolle Deutschlands innerhalb der Vereinten Nationen befürwortet und sich "sehr glücklich" darüber gezeigt, dass die deutsche Regierung damals in Bosnien mit der Entsendung von Soldaten auch ihrer militärischen Verantwortung nachkam. Bei ihren vorsichtigen Bemühungen, den eigenen außenpolitischen Handlungsspielraum in Abstimmung mit den Partnern zu erweitern, hat die Bundesregierung deshalb in Annan einen stillen Verbündeten.

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