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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Kolumne: Ein Zwischenruf zum Rassismus in Deutschland

Rassismus wird in Deutschland noch immer nicht ernst genug genommen. Die Deutschen könnten von der Schweiz lernen. Dort ist Rassendiskriminierung ein Offizialdelikt.

Rassismus in seinen verschiedenen Spielarten wird politisch in Deutschland nicht wirklich ernst genommen. Hier einige Befunde: Seit Jahren wird öffentlich gestritten über die Zahl der Mordopfer rassistisch motivierter Täter. In Baden-Württemberg blieben Polizisten im Polizeidienst, obwohl sie als Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klan-Geheimbunds enttarnt worden waren. Und selbst der Verfassungsschutz im Ländle hatte rassistischen Dreck am Stecken, informierte doch ein Amtsmitarbeiter damals den Kapuzenverein über die Überwachung der Telefonanlage. Auch der scheint noch als Beamter zu arbeiten. Vom Bundesverfassungsschutz in Köln wurde berichtet, dass Mitarbeiter aus Einwandererfamilien von ihren deutschen Kollegen offen als „Muselmann“ und „Ölauge“ bezeichnet wurden. Die Konsequenz? Eine Abmahnung!

Als Bundesbanker Sarrazin 2009 türkische und arabische Einwanderer als Gruppe pauschal demoralisierte und dämonisierte („ … pflegen eine Mentalität, die … aggressiv und atavistisch ist“), passierte, außer einer breiten Diskussion, juristisch gar nichts. Über die totale Blindheit tausender Polizisten und Staatsschützer gegenüber dem mörderischen NSU-Trio, das mit neun Hinrichtungen an Einwanderern und zwei Bombenattentaten eine offenkundig rassistische Visitenkarte ablieferte, ist zwar viel berichtet worden, doch nach Ursachen wurde nicht geforscht.

Das alles, und vieles mehr, heißt ganz und gar nicht, dass die Bundesrepublik ein rassistisches Land ist. Aber es hat auch keine entschiedene und aktive Gesellschaft, die Rassismus in allen Erscheinungsformen – vom „bürgerlich-anständigen“ Rechtspopulismus bis zum Terror – aufmerksam wahrnimmt und aktiv ahndet. Die Politik agiert zu abwartend, die Zivilgesellschaft zu uneinheitlich, die Sicherheitsbehörden zu interesselos. Das würde sich ändern, wäre „Rassendiskriminierung“ ( hier hieße es wohl anders) ein Offizialdelikt wie in der Schweiz (Art. 261 StGB), das verfolgt werden muss bei einer begründeten Anzeige. Und viel zu lernen gäbe es auch von der politischen Wirkung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.

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