zum Hauptinhalt
Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Seine Kolumne "Einspruch" erscheint jeden Sonntag auf den Meinungsseiten.

© Kai-Uwe Heinrich

Kolumne "Einspruch!": Bühne frei für die NPD

Die NPD veröffentlicht die Materialsammlung zum NPD-Verbotsverfahren im Netz, das Innenministerium erstattet Strafanzeige. So macht man sich lächerlich. Der Minister sollte das Material endlich selbst freigeben.

Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht seine Vorbehalte bestätigt, er hatte ja gewarnt: Verbietet bloß die NPD nicht, die sterbende Partei bekommt eine Bühne, lebt wieder auf. Und siehe da, jetzt hatte sie auf ihrer Homepage Teile der amtlichen Materialsammlung veröffentlicht, die als Beweis für den Verbotsprozess verwendet werden soll. „Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch.“ Die Partei führt den Staat vor, heißt es, macht ihn lächerlich. Also schlug das Imperium zurück, schickte eine Unterlassungsverfügung und erstattete Strafanzeige.

In der Tat, so macht man sich lächerlich. Und gibt der Partei eine Bühne. Die juristischen Ministerschritte folgten der Empörung nach der NPD-Aktion – und riefen ihrerseits Schlagzeilen hervor, werteten die Partei auf: Sie ist eben doch gefährlich, weil nun in strafbarer Weise Geheimnisse verraten worden seien. Der Staat kann da nicht tatenlos zusehen.

Wirklich nicht? Um sich vorführen zu lassen, braucht es zwei. Die NPD hat das Material wieder vom Netz genommen. Woher sie es hat, ist unklar, woher sie es hätte haben können, nicht. Die Dokumente sind im Netz abrufbar, Google hilft gerne weiter. Da sind sie weiter zu haben, und das ist im Prinzip auch vollkommen in Ordnung. Die Papiere enthalten überwiegend öffentlich zugängliche Aussagen von Parteigängern plus juristische Analysen über die Verbotsaussichten. Geheim muss das alles nicht sein.

Auch die Strafanzeige ist fragwürdig. Die Verletzung von Dienstgeheimnissen ist ein Beamtendelikt. Die NPD-Leute hätten sich wohl allenfalls einer Beihilfe schuldig gemacht. Wenn die Ermittler der Anzeige also ernsthaft nachgehen wollten, müssten sie vordringen zum Ursprung des Verrats. Wo der sich befindet, weiß niemand. Vielleicht gar im Innenministerium selbst? Im Übrigen ist offen, ob das Ganze überhaupt ein Geheimnis war. Das Materialpaket kursiert seit Monaten auch unter Journalisten, aus dem Werk wurde munter zitiert. Die darin aufgeführten Zitate stammen ohnehin aus dem Internet, öffentlichen Reden oder rechten Publikationen.

Statt sich mit derlei Anzeigen – und Unterlassungspopanz aufzuhalten, wäre dem Ministerium anzuraten, die Unterlagen selbst öffentlich zu machen. Seit Monaten hält es den Deckel auf allen Akten, die mit einem NPD-Verbot zu tun haben könnten. Ein schlechtes Signal, schließlich ist ein Parteiverbot eine Operation an den Wurzeln politischer Willensbildung. Wenn Offenheit nottut, dann hier; die Bürger sollten sachkundig mitdiskutieren können, wenn ihre Repräsentanten sich zu einem solchen Schritt entschließen. Unsere Demokratie ist stark und gefestigt gegen Extremisten, hat Hans-Peter Friedrich gerade wieder gesagt. Mit mehr Behördentransparenz, nicht nur im anstehenden Verbotsverfahren, könnte sie noch stärker werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false