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Aufmarsch und Aufguss? Wie viel Gesinnungsschutz dürfen extreme Rechte erwarten? Müssen nur ihre Demonstrationen flankiert werden, oder muss der Staat auch ihren Zugang zur Sauna verteidigen? Über den Fall Udo Voigt, hier bei einem Aufmarsch im Jahr 2007, entscheidet in dieser Woche der Bundesgerichtshof.

© p-a

Kolumne "Einspruch": Udo Voigt wird diskriminiert

Ein Hotelbesitzer erteilte dem NPD-Chef Hausverbot. Am Freitag entscheidet der Bundesgerichtshof, ob das rechtens ist. Das Gleichbehandlungsgesetz greift hier nicht, Diskriminierung ist das trotzdem. Auch Nazis müssten in der Sauna schwitzen dürfen, meint unser Autor.

Dem Kampf gegen rechts ergeht es wie dem gegen links, er wird zuweilen skurril. Der Verfassungsschutz späht biedere linke Abgeordnete aus, weil er von diesem leider nur angeblichen Proletariat (es wäre ja demokratisch, hätten wir eines im Parlament) eine Diktatur befürchtet. Solche Sorgen möchte man haben. Am rechten Rand sind die Auswüchse teils noch bizarrer, denn dort wird nicht nur beobachtet, dort wird gehandelt. Am besten machen alle mit bei dem Spiel, nicht nur die Schlapphüte, nein, jeder, der über Arme, Kopf und Beine verfügt: Blockiert die Rechten, wo ihr sie trefft.

Die Rede ist hier nicht von gesinnungsstarken Sitzdemonstranten wie Wolfgang Thierse, und es sollen auch angesichts der kriminalistischen Versäumnisse bei der Aufklärung der rechten Mordserie in Deutschland keine Pannen schöngeredet werden. Doch darf man zweifeln, ob es wirklich immer hilft, wenn alle nicht nur wachsam sind, sondern auch immer gleich zur Tat schreiten. Wäre es anders, gäbe es keine Fälle wie jenen, den der Bundesgerichtshof am Freitag entscheiden muss. Keine, anlässlich derer die Nazis ihre kleinen schmutzigen Siege feiern, die sie als Helden der Freiheit und ihre Gegner als Täter erscheinen lassen.

Der Bundesgerichtshof urteilt über Udo Voigt, den früheren NPD-Chef, der spätestens mit dem Plakat „Gas geben“ zur Berlin-Wahl auch dem letzten klarmachte, dass er ein außergewöhnlich extremes Ekel ist. Udo Voigt wehrt sich gegen ein Hausverbot, das ein Brandenburger Wellnesshotel gegen ihn ausgesprochen hatte, weil seine bloße Erscheinung das Wohlfühlerlebnis der Gäste störe. Nun stehen die Bundesrichter vor einer heiklen und grundsätzlichen Frage. Sie müssen entscheiden, ob einer seine politische Überzeugung gleichsam in der Sauna aus den Poren schwitzen kann oder ob er erst Parolen schwingen muss, bis man ihm die Tür verbieten darf.

Heikel ist der Fall, weil er das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf die Probe stellt. Das verbietet Diskriminierungen aller Art, macht aber ausgerechnet bei der „Weltanschauung“ eine Ausnahme. Bei Massengeschäften wie Hotelbuchungen, so die Idee, sollte es möglich werden, Nazis an der Schwelle entgegenzutreten. Das Hausverbot für Voigt entspricht damit zwar dem Willen des Gleichbehandlungs-Gesetzgebers, aber nicht dem Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes, das ausdrücklich auch „politische Anschauungen“ schützt.

Neue Besen kehren gut, neue Gesetze kehren manches um. Gleichheitsgesetzgeber, die den Gleichheitssatz unter Politikvorbehalt stellen, machen möglicherweise Fehler. Das sollten die Gerichte dann ausbügeln. Nazis gehört alles verboten, ihre Hetze, ihre Lügen, ihre Symbole, ihre Partei. Aber schwitzen und schweigen, das dürfen sie wohl noch. Am liebsten für immer.

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