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Kolumne: Elena Senft schaltet nie ab: Pilates mit Babs Becker hat mich ruiniert

Barbara Becker gehört zu den Prominenten, die einfach nur so berühmt sind. Nun verkauft sie Pilates-DVDs. Ich habe so eine.

Meist erkennt man diese Sorte Promis daran, dass die Öffentlichkeit sie mit Spitznamen anredet. Barbara heißt Babs. So wie Nadja Naddel heißt und Christina (Lugner) Mausi. Alle waren mal mit einem berühmten Mann verheiratet und mussten danach versuchen, ihre Berühmtheit irgendwie weiterzuführen. Babs Becker verkauft Pilates-DVDs.

Ich habe so eine Pilates-DVD. Nur selten rolle ich in meinem Wohnzimmer eine Isomatte aus und mache mit Babs Gymnastikübungen. Eigentlich ist hierbei „Rolling like a Ball“ eine meiner leichtesten Übungen. Man muss sitzend seine Knie zur Brust ziehen und sich mit den Händen an den Knien festhalten. Dann rollt man mit rundem Rücken nach hinten und wieder nach vorn. Diese Übungen wiederholt man etwa 25 000 Mal. Beim 24 000. Mal hörte ich ein Geräusch in meinem Rücken, das so klang, als würde man abrupt einen Klettverschlussschuh öffnen. Jetzt bewege ich mich seit Tagen wie Terminator.

Weil ich in Fitnessstudios Angst habe, gesehen zu werden, während ich eine Salsa-Aerobic-Choreografie einübe, bin ich schon lange Anhänger von Fernseher-Sport. Auch an Fitnessvideos sieht man, wie die Zeit vergeht. War vor einigen Jahren noch das Cindy-Crawford-Video der absolute Zenit der cool vorgetragenen Fitnesserkenntnisse, wirkt Cindy darin heute so modern wie die Gruppe von Tele-Gym.

Cindy steht in einem Badeanzug (über Radlerhosen!) am Strand und macht Übungen mithilfe eines Klappstuhls, die erschreckend an die „Sexy Sportclips“ des Deutschen Sportfernsehens erinnern.

Der Klappstuhltanz war in den Neunzigern ein beliebter Kniff, um tough und verspielt zu wirken. Eigentlich dachte ich, dass er heute ausgestorben sei – bis ich in die aktuelle Staffel von „Popstars“ zappte.

In dieser Sendung wird bei den Auftritten der Kandidatinnen auch heute noch auf den hässlichen Tanz mit dem Sitzmöbel zurückgegriffen, auf dem man mal sitzt, mal keck um ihn herumtanzt. Nur die „liegende Ballade“ kommt bei Jurymitglied Detlef D! Soost noch besser an. Dabei muss die Sängerin erst auf dem Boden liegen, um im Crescendo des Refrains aufzuerstehen und „richtig Gas zu geben“. Muss eine Teilnehmerin bei dieser Darbietung nicht in Tränen ausbrechen, wird ihr unterstellt, dass sie das alles hier gar nicht ernst nehme und sie kein Kämpfer sei.

In unregelmäßigen Abständen müssen sich die Kandidatinnen mit Soost in einen Kreis setzen und erzählen, was sie bedrückt und davon abhält, bei „Hurt“ von Christina Aguilera so richtig aus sich raus zu gehen. Eine Teilnehmerin prescht mit dem Tod eines Familienmitglieds vor, eine andere zieht mit dem Gefängnisaufenthalt des Vaters nach. Die Sitzung ist erst beendet, wenn alle geweint haben. Höchstwahrscheinlich aber weint ein Teil der Teilnehmerinnen nur aus Angst vor Soost und aus Verzweiflung darüber, nur ein fröhlicher Teenager zu sein. Okay, mal ’ne Fünf in Mathe oder keinen Bock auf Reli, aber sonst … Deswegen ringt sich auch die letzte Teilnehmerin ein „ja gut, ich versteh mich mit meinem Bruder net so gut“ ab und wirft sich an D!s durch tiefe V-Ausschnitte immer ein wenig zu unverhüllte Männerbrust.

Vor dem Fernseher überlegte ich mir, wie ich mich im „Popstars“-Bootcamp geschlagen hätte. Beim Stuhltanz hätte ich einfach Cindy Crawfords Choreografie imitieren können. Aber ich wäre leider schon wegen meiner Babs-Becker-Sportverletzung rausgeflogen und hätte nach Hause fahren dürfen. Und spätestens damit hätte dann auch Babs ein gutes Recht darauf, gefeiert zu werden.

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