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Kolumne: Esther Kogelboom ringt mit guten Vorsätzen: Das Party- und Reisetrimester

Er funktionierte meist reibungslos, nervte selten: Mein Körper war bisher ein robuster Partner gewesen. Dann wurde ich schwanger – und er unberechenbar. Ein Drama-King, der 24 Stunden täglich mit neuen Schikanen überraschte.

In den ersten Wochen stand ich abends oft am Fenster und zündete mir eine Salzstange an. Wie würde das Leben mit Baby sein? Was immer auch passieren mag, schwor ich mir, ich würde es auf keinen Fall zum Gegenstand einer Mutti-Kolumne machen. Doch wie viele guten Vorsätze des ersten Trimesters – sechs Wochen nach der Geburt wieder arbeiten, generell nicht so viel jammern – sollte auch dieser unhaltbar sein.

Ich musste weinen, immerzu weinen. Unvergesslich der Tag, an dem auf der Titelseite der „B.Z.“ ein Golden Retriever abgebildet war, der auf dem zugefrorenen Schlachtensee sitzt. Darunter (Erinnerungsprotokoll): „Seit gestern wartet Bello auf sein eingebrochenes Herrchen.“ Ich heulte durch vom Frühstück bis zum Abendbrot.

Auch schlimm: Im Autoradio lief Neil Young? Goodbye Wimperntusche. Der Späti hat kein „Nogger“ mehr? Weltuntergang.

Diese Heulattacken standen in großem Widerspruch zu dem Bild, das ich nach außen zu vermitteln versuchte. „Ich bin schwanger, nicht krank“, erklärte ich jedem, der so nett war, sich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen. Stimmte ja auch. Doch fünf Zipperlein plus bleierne Müdigkeit und Weinkrampf, das geht eigentlich fast als krank durch.

Im zweiten Trimester, las ich, würden die Zipperlein zugunsten schöner Haare, super Fingernägel und guter Laune verschwinden. Das zweite Trimester gilt in Schwangerenkreisen auch als Party- und Reisetrimester, also keine Kotzerei mehr, aber nicht so dick, dass man schon für zwei Sitze im Flugzeug bezahlen muss.

Der Gynäkologe teilte meine Vorfreude nicht so recht. Bevor man sich freuen darf, muss eben erstmal viel abgeklärt werden: Die Gewichtszunahme wird protokolliert, Blut aus der Fingerkuppe entnommen, ein Glukose-Toleranztest durchgeführt, Töpfchen mit Urin aus Erst- und Mittelstrahl werden ins Labor durchgereicht; beim Ultraschall zählt der Arzt die Zehen des Ungeborenen, lauscht dem Takt seines Herzens und lässt ein Computerprogramm Wahrscheinlichkeiten errechnen.

Nachdem alle Werte ermittelt worden waren, buchte ich für den zukünftigen Mitsorgeberechtigten und mich einen Urlaub. „Viel Spaß“, sagte der Gynäkologe, „aber bitte vergessen Sie die Thrombosestrümpfe und die Heparin-Spritzen zur Blutverdünnung nicht. Am besten eine halbe Stunde vor Abflug schön kräftig in den Oberschenkel.“

Der Höhepunkt meines Party- und Reisetrimesters trug sich auf einer Toilette am Frankfurter Flughafen zu. Wie würde ich ein Kind auf die Welt bringen, wenn ich mir nicht mal eine Spritze ins Bein rammen konnte? War dieser Urlaub eine Schnapsidee? Sollte ich nicht in Tapetenmusterbüchern blättern, statt das Abenteuer zu suchen?

Schließlich klemmte ich einen Fleischwulst zwischen Daumen und Zeigefinger und – wäre doch gelacht – haute die Nadel rein. Au, verflixt! Blut spritzte auf meine weißen Umstands-Jeggings von Bellybutton, die einzige Hose, die mir passte und wegen deren temporärem Nichtvorhandensein in meiner Größe ich am Ku’damm, man ahnt es, in Tränen ausgebrochen war.

Da spürte ich ein Flattern in der Tiefe der Magengegend. Etwa so, als würde ein Goldfisch durch Apfelschorle schwimmen. Ich brauchte einige Sekunden, um zu kapieren, was das gewesen sein könnte. Dann grinste ich, bis wir die endgültige Flughöhe erreicht hatten und noch ein bisschen länger.

Esther Kogelboom

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