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Matthias Kalle.

© Privat

Kolumne "Ich habe verstanden": Glück wird unterschätzt

Unser Kolumnist erläutert, warum Josep Guardiolas Verpflichtung und Googles Erfolg vor allem mit Glück zusammenhängen - und warum wir dazu tendieren, den Faktor Glück oft nicht richtig zu bewerten.

Der ehemalige Rad-Profi Lance Armstrong sagte in der US-Talkshow von Oprah Winfrey hauptsächlich Dinge, die ein halbwegs klar denkender, halbwegs gut informierter Mensch bereits ahnte: Ja, er sei bei all seinen sieben Tour-de-France-Siege gedopt gewesen. Donnerwetter. Armstrong sagte aber auch, neben all dem Reue- und „Ich verdiene das“-Quatsch, dass ihm die erdopten Siege kein Glück gebracht hätten: „Es gab mehr Glück im Vorgang, im Vorfeld, bei den Vorbereitungen.“ Die Siege seien dann nur noch automatisch gewesen, ohne jeden Aufwand, eine logische Schlussfolgerung.

Bleiben wir kurz noch beim Sport: Die Verpflichtung des Fußballlehrers Josep Guardiola durch die Verantwortlichen des FC Bayern München wurde in den vergangenen Tagen als Meisterstück der Verantwortlichen beschrieben: Verhandlungsgeschick, Überzeugungskraft, solche Sachen wurden angeführt, um zu erklären, warum der begehrteste Trainer der Welt ab Sommer die Bayern trainiert. Ich glaube, die Bayern hatten bei der Verpflichtung vor allem Glück.

Ich glaube außerdem, dass das Glück gemeinhin unterschätzt wird. Unterhalten Sie sich mal mit jemandem, zum Beispiel über seine Beförderung, seine Gehaltserhöhung, über seine amourösen Abenteuer, seine wohlgeratenen Kinder, sein Geschick beim Pokern. Sie werden zumeist logisch aufgebaute Geschichten zu hören bekommen, in denen jeder einzelne Schritt einen Sinn ergibt, eines fügt sich zum anderen: er musste befördert werden, eine Gehaltserhöhung sei mehr als verdient gewesen, seine Flirttricks würden wissenschaftlichen Kriterien standhalten, die Höflichkeit der Kinder seien das Produkt ausgeklügelter Erziehungsmethoden und beim Pokern müsse man ein bisschen rechnen können und Menschenkenntnis besitzen. Mit solch konstruierten Geschichten legen wir uns die Welt und unser eigenes Leben zurecht, so können wir es besser verstehen, abgesehen davon sind solche Geschichten auch die besseren Geschichten – wie langweilig klingt hingegen folgendes:

-         „Wie bist du denn eigentlich zu diesem tollen Job gekommen?“

-         - „Du, keine Ahnung, ich hatte einfach total Glück.“

Keine gute Geschichte, oder? Aber ich glaube, dass sie der Wahrheit am nächsten kommt. Ich glaube auch, dass Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge Glück hatten, als sich Josep Guardiola für Bayern entschieden hat und nicht für irgendeinen anderen Verein (ob dieser Trainer den Bayern allerdings auch tatsächlich Glück bringen wird, ist eine ganz andere Frage und im Prinzip nicht zu beantworten). Und vielleicht muss man auch erst grandios scheitern und fallen wie Lance Armstrong, um zu verstehen, welche Rolle das Glück bei allem spielt, was man so macht.

Als der Kognitionspsychologe Daniel Kahnemann, Nobelpreisträger für Wirtschaft, einmal nach seiner Lieblingsgleichung gefragt wurde, antwortete er: „Erfolg = Talent + Glück; Großer Erfolg = ein wenig mehr Talent + viel Glück.“ Er erzählt dann die Geschichte der Google-Gründer, wie viele richtige Entscheidungen sie getroffen haben, wie viele Konkurrenten sie hinter sich gelassen haben. Eine gute Geschichte. Dann schreibt Kahnemann: „Die Tatsache, dass viele der stattgefundenen wichtigen Ereignisse auf Entscheidungen beruhten, verleitet Sie (den Leser) noch stärker, die Rolle von Können und Geschick überzubewerten und den Anteil, den das Glück an dem Ergebnis hatte, zu unterschätzen.“ 1999, ein Jahr nach der Gründung von Google, wollten die Gründer ihre Firma eigentlich für 750.000 Dollar verkaufen, aber dem Käufer war der Preis zu hoch.

Der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering wünschte den Leuten oftmals „Glück und Gesundheit“, weil Gesundheit alleine nicht reichen würde. Die Menschen auf der Titanic seien alle gesund gewesen.

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