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Barack Obama und Mitt Romney: Wer profitiert vom Sturm?

© dpa

Kolumne "Kurz gesagt": US-Wahlkampf: "Sandy" wird zum Zünglein an der Waage

Wegen des Sturms "Sandy" mussten Barack Obama und Mitt Romney wichtige Wahlkampfauftritte absagen. Stormy-Annika Mildner analysiert die möglichen Auswirkungen der Naturkatastrophe auf den Wahlausgang und erklärt warum das schlechte Wetter den Krisenmanager Obama viele Stimmen kosten könnte.

60 Millionen Amerikaner sind von Sturm Sandy betroffen, der in der Nacht vom Montag auf Dienstag (Ortszeit) auf die Ostküste der USA traf. Ganze von Überflutungen gefährdete Landstriche wurden evakuiert, Geschäfte bleiben geschlossen, die Stromversorgung ist großflächig ausgefallen, der öffentliche Nahverkehr wurde ausgesetzt. Hunderte von Menschen sind an den Flughäfen gestrandet, weil Flüge gestrichen worden sind. Die New Yorker Börse hat seit Montag den Handel ausgesetzt. Für elf Bundesstaaten ist der nationale Notstand ausgerufen worden. Damit können sie auf die Hilfen der bundesstaatlichen Katastrophenschutzbehörde FEMA zugreifen.

Der Sturm hat aber nicht nur das Leben an der Ostküste lahmgelegt. Auch den Präsidentschaftswahlkampf hat er ordentlich durcheinander gewirbelt. Nicht nur mussten wichtige Wahlkampfauftritte abgesagt werden, die Aufmerksamkeit hat sich zudem von den Wahlen auf den Sturm verlagert. Dabei wäre es in den letzten Tagen vor den Wahlen vor allem darauf angekommen, unentschlossene Wähler zu gewinnen. Hier spielen vor allem die wahlentscheidenden sogenannten Swing States eine Rolle, also Staaten, die mal republikanisch, mal demokratisch stimmen. Romney und Obama liegen dort Umfragen zufolge Kopf an Kopf. Für beide Kandidaten kommt Sandy daher in einem ungünstigen Augenblick. Nun kommt es darauf an, wer die Naturkatastrophe am besten für sich nutzen kann - Mitt Romney oder Barack Obama? Drei Überlegungen hierzu.

Obama der Krisenmanager

Der Wirbelsturm gibt Präsident Obama kurz vor den Wahlen noch einmal die Gelegenheit, sich als umsichtiger Krisenmanager zu zeigen, und eine Plattform, um die gesamte Nation anzusprechen. Am Montag ermahnte er die Bevölkerung eindringlich, sich an die Anweisungen der Behörden und die Aufrufe zur Evakuation zu halten. Allerdings darf er sich unter den kritischen Augen der Öffentlichkeit - und seines Konkurrenten - keinen Fehler leisten. Es gilt, noch einmal, die eigenen Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen. Mitt Romney muss diese Bühne dem Präsidenten überlassen. Seine eigenen Wahlkampfauftritte hat er nicht nur wegen der Unwegsamkeiten des Sturms abgesagt, sondern auch, um nicht unsensibel zu erscheinen: Das Risiko, den Eindruck zu erwecken, er wolle aus der Katastrophe politisches Kapital schlagen, und so wichtige Wähler zu verprellen, ist zu groß. Auch die für die letzte Wahlkampfwoche geplante groß angelegte Fernsehkampagne dürfte weniger wirksam sein als geplant. Für Romney wird es schwierig, das Momentum, von dem er seit der ersten Präsidentschaftsdebatte profitiert hatte, am Laufen zu halten. 

Geringere Wahlbeteiligung

Präsident Obama hat ein anderes Problem. Unter den demokratischen Wählern sind besonders viele Frühwähler, also solche, die die Möglichkeit nutzen, ihre Stimme frühzeitig abzugeben. In 32 Bundesstaaten, darunter mehreren Swing States, und Washington können Wähler ihre Stimmen per Brief oder auch persönlich bereits vor der eigentlichen Wahl am kommenden Dienstag abgeben. Etwa 31 Prozent hatten 2008 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht; Experten rechneten für diese Wahl mit einem Anstieg des Anteils auf etwa 40 Prozent. Zu den Frühwählern gehören vor allem Mitglieder von Minderheiten und der Arbeiterklasse - traditionelle Wähler der Demokraten. Umfragen zufolge liegt Obama daher bei den Frühwählern in den besonders umkämpften Bundesstaaten auch deutlich in Führung - 54 Prozent würden Obama ihre Stimme geben, seinem Kontrahenten Romney nur 39 Prozent. Gehen diese Wähler aufgrund des schlechten Wetters nun nicht in die Wahllokale, könnten Obama am Ende die wahlentscheidenden Stimmen fehlen.

Romney gegen Big Government

Ein zentrales Narrativ zieht sich durch den Wahlkampf von Romney: Kompetenzen sollen von der Bundesregierung an die Bundesstaaten delegiert, unnötige Programme beendet und Kosten gesenkt werden. Wo möglich, soll die Verantwortung ganz bei der Privatwirtschaft liegen. Ginge es nach Mitt Romney, würde dies auch für das Katastrophenmanagement und die Programme der Bundesbehörde FEMA gelten. Dies sagte er zumindest in einer der vielen Debatten während der Vorwahlen – eine Aussage, die ihm jetzt schaden könnte. Denn das Katastrophenmanagement der FEMA ist in Bundesstaaten wie Florida beliebt. Nicht zuletzt Hurrikan Katrina hat gezeigt, dass die Bundesstaaten allein solche Katastrophen nicht bewältigen können, geschweige denn die Privatwirtschaft. Es überrascht nicht, dass Romneys Wahlkampfteam schnell dementiert hat, dass ihr Kandidat die FEMA abschaffen will.

Noch im Sommer galt Obama als der sichere Sieger des Präsidentschaftswahlkampfes - jetzt ist wieder alles offen. Bis zum kommenden Dienstag wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen bleiben. Sturm Sandy könnte das Zünglein an der Waage im US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf sein.

Stormy-Annika Mildner forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu USA und Wirtschaft. Sie ist Mitglied der Institutsleitung. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik "Kurz gesagt".

Stormy-Annika Mildner

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