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Hatice Akyün ist Autorin und freie Journalistin. Sie ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause.

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Kolumne "Meine Heimat": Integrieren, fördern, abräumen

Die jüngsten Erfolge deutscher Mannschaften in der Champions League erklären sich auch aus der erfolgreichen Integration von Spielern mit deutscher Identität, deutschem Pass und Wurzeln anderswo.

Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Und viele Mütter. Viel zu selten packt mich die echte Begeisterung. Vergangene Woche war es aber mal so weit. Ich rede von Borussia München und dem FC Dortmund – es ist mir nämlich nicht wichtig, welche der beiden Mannschaften am Ende den Pokal holt. Verdient hätten ihn beide.

Nach dem Finaleinzug überschlugen sich auch gleich wieder die Kommentatoren. Ist das woanders eigentlich auch so? Wenn etwas schiefgeht, wird jede Kleinigkeit mit dem Skalpell seziert. Und wenn etwas klappt, kennt die Selbstherrlichkeit keine Grenzen. Deutsche Dominanz war noch das niedlichste. Wir sind offenbar allesamt Sanguiniker – jetzt himmelhoch jauchzend, im nächsten Augenblick zu Tode betrübt. Da nehme ich mich nicht aus. Wer kennt sie nicht, diese pubertären Emotionsschübe?

Dabei haben beide Mannschaften das Tal der Tränen durchquert. Da gab es den Trapattoni-Beton-Fußball und die Klinsmann-Buddhas. Den Zukauf ehemaliger Superstars und den Wegkauf von Talenten, um sie anschließend auf der Bank schmoren zu lassen, damit sie ja den Konkurrenten nicht nützen. Da war das finanzielle Harakiri der Dortmunder, haarscharf an der Insolvenz vorbei. Sportlich konnte die Katastrophe nur durch den Rückgriff auf Jugendspieler wie Kevin Großkreutz oder Nuri Sahin abgewendet werden. Aber jetzt drifte ich ab, schließlich schreibe ich ja nicht für den Kicker. Es ist jedoch wichtig, den Ursprung des Erfolgs zu erkennen, um zu begreifen, warum nun zwei deutsche Mannschaften im Finale der Champions League stehen.

Beide Teams haben gelernt, überhaupt erst einmal ein Team zu sein. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch an der Spitze. Schließlich wurde beherzigt, was zu tun ist: Eigengewächse aufbauen. In beiden Mannschaften zusammengenommen spielen 16 Profis mit deutschem Pass, ihre Wurzeln liegen auch in Ghana, Tunesien, der Türkei und Spanien. Ihre Identität aber ist in Deutschland gewachsen. Und das liegt an der Jugendarbeit der Bundesliga-Vereine. Sie trägt jetzt Früchte und fragt nicht nach dem Woher, sondern nach dem Wohin. Ein Marco Reus und ein Ilkay Gündogan sind keine Gegensätze, sondern Garanten für den Erfolg. Ein Thomas Müller und ein Jérôme Boateng machen hinten zu und vorne alles platt.

Ja, und ein Ribéry, ein Lewandowski, ein Santana, ein Robben gehören auch dazu. Wer international abräumen will, muss auch international ticken. Ob kalte Präzision oder bedingungslose Leidenschaft – wer sich einlässt, klare Ziele verfolgt und konsequent integriert, legt Favoriten aufs Kreuz. Gemeinsam, als Team.

Wäre der FC Bayern die CDU und Borussia Dortmund die SPD, welche Mobilisierung hätten wir bei der Bundestagswahl? Nicht vergleichbar? Vielleicht doch. Die Spieler haben uns gezeigt, was passiert, wenn man nur will. Oder wie mein Vater sagen würde: „Zaman sana uymazsa sen zamana uy.“ Passt sich die Zeit nicht dir an, passe du dich der Zeit an.

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