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Liebe in Berlin: im Frühling werden die schönsten Gefühle frei.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kolumne "Meine Heimat": Sonne, Liebe, Männer

Im Frühling werden die Probleme in Berlin einfach weggeliebt. Überall küssende Teenager und händchenhaltende Rentner. Unsere Kolumnistin liebt diese Jahreszeit und würde so gern mitmachen. Wenn sich die Männer nur nicht so anstellen würden.

Werden in Berlin die Menschen von Winter- auf Sommerzeit über Nacht ausgetauscht? Mein Zuhause kann so anders sein, wenn die Sonne scheint. Plötzlich lächeln die Menschen, man sitzt in überfüllten Cafés und rückt an den Tischen näher, damit noch andere daran Platz finden.

Ich liebe diese Zeit in Berlin, diesen Übergang von kalt zu warm. Damit meine ich nicht das Wetter, sondern das Klima in den Herzen. Im Frühling werden die Probleme einfach weggeliebt. Integrationsprobleme? Liebe machen, Gene vermischen, so lässt sich auch die Sprache leichter lernen. Finanzprobleme? Von Luft und Liebe leben, in der Geldbörse bleibt zwar Ebbe, aber jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wer braucht schon Brot, wenn er küssen kann?

Angefangen von den Schülergruppen, den Scharen von Touristen, den Studenten, bis hin zu den Wohlstandsrentnern, die es nach Berlin treibt: Diese Stadt zieht im Frühling an, um sich auszuziehen. Raus aus der Anonymität, rein in die Zweisamkeit, damit aus dem Nebeneinander ein Miteinander wird. Heute wird gelebt, gelitten wieder später. Die Enttäuschung hat Zeit bis November. Hach, ist das schön: Händchen haltende Paare, küssende Teenager, eng Umschlungene unterschiedlicher sexueller Neigung. Berlin, du bist so wunderbar – im Sommer.

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Hören Sie ihn, den leichten Unterton der Übergangenen? Aber mein Problem ist ein anderes. Wenn man schon mal so direkt sein darf, liebe Männer: Haben Sie schon mal davon gehört, dass Frauen erobert werden möchten und nicht besetzt? Offenbar nicht. Wie sonst lässt es sich erklären, dass so viele von Ihnen wahre Gefühlsmumien sind, wenn es darum geht, einer Frau näherzukommen. Auf der Festplatte der männlichen Beziehungsrituale ist oft nicht mehr als die Neuauflage des Spiels: mein Haus, mein Auto, mein Computer. Doch es geht nicht um ein Bewerbungsgespräch für einen neuen Job. Sie sind nicht im Assessment-Center der Performance-Optimierung.

Ist das nun die Strafe, die wir Frauen für die Emanzipation zahlen müssen? Und was hat das eine überhaupt mit dem anderen zu tun? Selbstbestimmung und das Recht darauf, die Autotür geöffnet zu bekommen, schließen sich doch nicht aus. Sind denn unsere Ansprüche zu hoch?

„It needs a good man to get a good woman“, sagte mir mal ein älterer Herr im Central Park von New York, als er mir eine Blume schenkte, einfach so. Jemand, der einen positiv überraschen kann, der einen in seinen Bann zieht und das Spiel beherrscht, halb zog sie ihn, halb sank er hin, wo hat sich diese Spezies bloß versteckt?

Backen kann man sich Männer bekanntlich nicht. Aber dann bitte auch kein blasses Aufbackbrötchen. So bleibt der Topf weiterhin ohne Deckel, damit ich besser hineinschauen kann. Oder wie mein Vater sagen würde: „Gözden irak olan gönülden de irak olur“ – was dem Auge fern ist, ist auch dem Herzen fern.

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