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Ursula Weidenfeld ist freie Publizistin. Die Ökonomin war Chefredakteurin der Zeitschrift "Impulse" sowie stellvertretende Chefredakteurin und Chefin des Wirtschaftsressorts des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Kolumne: Wir brauchen nicht einen, sondern viele Muttertage

Vor einem Jahr forderte unsere Kolumnistin an dieser Stelle die Abschaffung des Muttertages. Inzwischen hat sie ihre Meinung geändert: Der Muttertag sollte vervielfacht werden.

Im vergangenen Jahr habe ich an dieser Stelle gefordert, den Muttertag abzuschaffen. Zumindest hätten die Mütter an diesem Tag Anlass genug, auch der Gesellschaft einmal laut „Danke“ zu sagen, habe ich argumentiert. In diesem Jahr sehe ich das anders. Der Muttertag muss unbedingt beibehalten werden. Stattdessen muss der Frauentag am 8. März abgeschafft werden. Er hat sich überlebt.

93 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland, 55 Jahre nach dem Recht der Frau, ohne die Zustimmung des Mannes berufstätig zu sein, gibt es in diesem Land keine gemeinsamen Fraueninteressen mehr. Es gibt Mütter. Die verdienen gleich mehrere Muttertage. Die alleinerziehende Mutter hat ebenso Anspruch auf eine Extra-Ehrung wie die berufstätige, denn beide haben kaum etwas gemein. Mindestens an einem halben Tag im Jahr sollten wir die Teilzeit arbeitende Mutter ehren, die andere Hälfte widmen wir dem Gedenken an jene, die ungewollt nicht Mutter wurden. Auch gewollt kinderlose Frauen sollten der Allgemeinheit die feierliche Anerkennung wert sein. Singles, Frauen in festen Beziehungen, Feministinnen. Sie alle brauchen einen sorgsam definierten Feiertag. Besonders wichtig erscheint neuerdings auch die trennscharfe Würdigung der älteren Karrierefrauen von den jüngeren.

Seit dem Frühjahr wissen wir, dass die Frauen in diesem Land nicht mehr viel verbindet. Allgemeine Fraueninteressen, die durchgesetzt werden müssen? Ach was, winken die Jüngeren um Familienministerin Kristina Schröder ab. Das haben wir nicht mehr nötig. Da mögen sich die alten Damen im Kampf für die Quote aufreiben. Berufsunlustige hochgebildete Mütter aus den Vorstädten entwickeln das neue Statussymbol des gehobenen Mittelstands: mit den Kindern zu Hause zu bleiben, Betreuungsgeld wird gerne genommen. Natürlich lassen sich diese Frauen nicht mit den Müttern in einem Atemzug würdigen, die nur aus niedrigen (nämlich materiellen) Motiven das Betreuungsgeld abgreifen wollen.

Nicht nur die sozialen Schichten in Deutschland grenzen sich immer mehr gegeneinander ab. Ihre Teilnehmer tun das auch, und sie tun das vor allem über das Selbstverständnis der Frauen. Deshalb ist der Muttertag hochaktuell. Wenn es nur mehr davon gäbe …

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