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Kommentar: Alice Schwarzer und die Toleranz

Alice Schwarzer gilt als Expertin für Toleranz und Vorkämpferin der Frauenbewegung – zwei kleine Anmerkungen zu ihrem aktuellen Buch "Die große Verschleierung".

Alice Schwarzer hat ein Buch geschrieben, über den Schleier, den Islamismus und die Toleranz. Vor allem zum Thema „Toleranz“ gilt sie als Expertin – spätestens seit sie einer „Emma“-Mitarbeiterin gekündigt hatte, weil diese mit dem Publizisten Henryk M. Broder eine Liaison eingegangen war. Eine Frau könne nicht bei „Emma“ arbeiten, schrieb Alice Schwarzer damals rasend vor Wut, und gleichzeitig „die Geliebte eines militanten Juden“ sein. Entweder-Oder. So viel zur Toleranz, zum Kündigungsschutz, zur feministischen Solidarität, zum Antidiskriminierungsideal, zur Privatheit sexueller Beziehungen.

Dennoch: Sollten nicht wenigstens die Verdienste von Alice Schwarzer um die deutsche Frauenbewegung auf ewig gewürdigt bleiben? Lesen wir dazu Wolfgang Pohrt, der bereits vor 30 Jahren die abschließenden Gedanken dazu formulierte: „Die Frauen mochten irgendwann haufenweise von den Männern nichts mehr wissen. Recht so. Das hatte nur andere Gründe, als die Frauen sagten und wohl auch dachten. Daran, dass die Frauen sich über die wahren Gründe täuschten, hatten freilich die Männer das größere Interesse.

Von Mann zu Mann: Mit dem Vorwurf, wir seien autoritäre Patriarchen, Schwerenöter und männliche Chauvinisten, lebt’s sich prächtig, zur Not auch im Büßerhemd. Aber wenn die Frauen dahinter kommen, was für kümmerliche Wichte und arme Würstchen die vermeintlichen männlichen Chauvinisten sind – dann geht’s uns wirklich dreckig. Wir haben nicht auf den Barrikaden gekämpft, wir haben auch keine kleine Fabrik umsichtig durch alle Krisen gesteuert, außer Problemen haben wir nichts zu vererben, die Therapie haben wir hinter uns, die Rente vor uns – und nun heißt es, wir seien zu männlich!

Nicht nur, dass jemand auf die Schnapsidee verfällt, uns für herrisch, mutig, stark, tapfer, kühn, ritterlich usw. zu halten, sondern wir sollen sogar zu männlich sein, alle diese Tugenden im Überfluss besitzen! Das musste uns ans Herz gehen wie einem lahmen Greis, wenn ihn die Courtisane mit den Worten adelt: ,Nicht so stürmisch, mein Herr. Sie rauben mir den Verstand.’“

Alice Schwarzer hat mit „Emma“ das größte Rehabilitierungsprojekt des angeknacksten männlichen deutschen Selbstbewusstseins geschaffen. Durch sie durfte sich das „aseptische Mittelstandsneutrum“ (Pohrt) endlich mal wieder als Mann fühlen. Falls ihr dafür Dank gebührt, soll er ihr nicht verwehrt bleiben.

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