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Kommentar: Bundesbank schiebt Sarrazin ab

Die sechs Vorstandsmitglieder sollen sich jederzeit in einer Weise verhalten, die das Ansehen der Bundesbank fördert. Das steht im Verhaltenskodex für die Vorstandsmitglieder. Darauf gründen sich die Bemühungen, Thilo Sarrazin abzuberufen - mehr gibt die Rechtslage nicht her.

Zweifellos genießt die Bundesbank hohes Ansehen, auch wenn sie mit der Einführung der Europäischen Zentralbank und des Euro an Bedeutung verloren hat. Das soll so sein, es geht schließlich ums Geld. Ansehen ist im Verhaltenskodex für ihre sechs Vorstandsmitglieder deswegen ein zentraler Begriff. „Sie verhalten sich jederzeit in einer Weise, die das Ansehen der Bundesbank und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bundesbank aufrechterhält und fördert“, heißt es schon im ersten Abschnitt. Auf den einen Satz gründen die Bemühungen, Thilo Sarrazin abzuberufen, denn viel mehr gibt die Rechtslage nicht her.

In juristischer Hinsicht dürfte es schwierig zu beantworten sein, ob Sarrazin dem Ansehen der Bundesbank geschadet hat. Sicher ist: Mit seinen biologistischen Thesen hat er sich als Rassist entlarvt, auch wenn er selbst das Gegenteil behauptet. Er hat der Sache der Integration geschadet, auch wenn er vorgibt, um die gehe es ihm eigentlich. Aber fraglich ist, ob die Debatte mit ihren altbekannten Reflexen wirklich das Ansehen der Bundesbank beschädigt. Bei wem eigentlich? Es sieht doch niemand die Währungsreserven der Deutschen in Gefahr, weil Sarrazin seinen unsäglichen Bestseller geschrieben hat. Im Gegenteil: Die SPD erfährt gerade, dass seine Thesen auch bei ihren Mitgliedern Konjunktur haben.

Das Ansehen der Bundesbank ist also ein schwaches Argument. Wenn überhaupt etwas in dieser Sache damit zu tun hat, dann doch eher die Frage, wie klug der Präsident der Bundesbank agiert hat. Axel Weber bewegte sich zwischen zwei Erwartungspolen: Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit. Beides musste er zeigen, erst recht, da er Präsident der Europäischen Zentralbank werden will. Es ist absurd, aber Weber war dem verschrobenen, verbohrten alten Mann aus Berlin, den er nie in der Bundesbank haben wollte, ausgeliefert und konnte sich nur falsch entscheiden. Weitere Verzögerungen hätten seine fehlende Kraft dokumentiert, doch die Anrufung des Bundespräsidenten zeigt seine Abhängigkeiten.

Denn wenn die Karriere des Thilo Sarrazin endet, dann nicht, weil er das Ansehen der Bundesbank ramponiert hätte, sondern wegen politischen Drucks. Die Bundeskanzlerin richtete öffentlich über ihn – und rühmt jetzt doch tatsächlich die „unabhängige Entscheidung der Bundesbank“. Christian Wulff, gerade erst von Angela Merkels Gnaden im höchsten Staatsamt angekommen, hat nun ebenfalls eine solche „unabhängige Entscheidung“ zu treffen. Die Lage erklärt sich aus der Staatsräson, aber sie zeigt wenig Souveränität. Bisher sind Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin wegen Volksverhetzung im Sande verlaufen, von einem Urteil ganz zu schweigen. Sein Buch ist nicht verboten, schriftstellerische Tätigkeiten sind ihm im Bundesbank-Kodex ausdrücklich „allgemein genehmigt“. Und dann wäre da noch Artikel 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“

Ja, es ist wahr: Thilo Sarrazin hat ein schlechtes Buch geschrieben. Es ist über weite Teile unfassbar langweilig, von einem rassistischen Weltbild geprägt, es enthält Halbwahrheiten und falsche Schlussfolgerungen. Der Autor müsste sich schämen, wenn er zu einer kritischen Reflexion fähig wäre. Das hätte ihn sogar zum Rücktritt bringen können. Aber beschämend ist auch der Verlauf der Debatte. Der Bundespräsident als deren letzte Instanz ist nicht zu beneiden.

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