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Kommentar: Das Rauchverbot lässt hoffen - auf den Videobeweis

Die Gegner des Rauchverbots haben verloren. So wie es den meisten geht, die als Argumente lediglich Kultur, Natur oder Tradition parat haben. Als nächstes werden also wohl die Gegner des Videobeweises unterliegen.

Das strenge Rauchverbot in Bayern lässt hoffen: Bald werden deutsche Großstädte graffitifrei sein, der Hundekot auf Bürgersteigen wird verschwinden und der Videobeweis im Profifußball eingeführt. Diese Hoffnung bedarf der Erklärung. Dazu hilft es, sich an die Anfänge der Diskussion zu erinnern. Damals ging es um das Rauchverbot in U- und S-Bahnen, in Flugzeugen und auf Bahnsteigen. Die USA hatten es vorgemacht, Europa dagegen stand Kopf. Niemals!, hieß es in der Alten Welt empört, wir sind anders, individualistischer, anarchischer, weniger gesundheitsfixiert. Rauchverbot und Europa – das passt nicht zusammen.

Wie auf ein geheimes Zeichen hin standen alle Bewahrer des Gestrigen auf und protestierten. Was wären Filme, Popmusik und Talkshows ohne die Zigarette? Sie sei ein Teil unserer Tradition und Identität. Sie aus Gaststätten, Kneipen und dem öffentlichen Leben zu verbannen – man stelle sich bloß vor: Pariser Cafés ohne Gitanes! –, trüge zur kulturellen Verarmung bei, sei wider Europas Natur. Das Ergebnis ist bekannt.

Interessant ist nun, dass andere Debatten ähnlich verlaufen. Als Regel kann gelten: Wenn eine Seite starke Interessen (die eigene Gesundheit etwa) und nachvollziehbare Argumente hat, ist sie mittel- und langfristig im Vorteil gegenüber einer anderen Seite, die sich allein auf nebulöse Begriffe wie Tradition, Kultur, Identität oder Natur des Menschen beruft. „Das haben wir noch nie so gemacht“: Dieser Satz ist ein Gefühl, kein Grund. Er kann kurzfristig Stimmungen erzeugen, aber die Vernunft nicht überzeugen. Insofern haben viele Debatten, in denen das einsichtig Neue nur quälend langsam die Oberhand gewann, dieselbe Struktur. Der Flexibilisierung der Ladenschlusszeiten standen Gewerkschafts- und Kirchentraditionen entgegen. Bei der Abkehr vom Pazifismus ging es um die Überwindung einer deutschen Nachkriegsidentität. Die Akzeptanz der Homo-Ehe und der Reproduktionsmedizin stößt immer noch auf Widerstände, die aus einem starren Bild von der Natur des Menschen resultieren. Auszusprechen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, fällt vielen bis heute schwer. Analog dazu standen die Rauchverbotsgegner, die sich vor allem auf Tradition, Kultur, Identität oder Natur des Menschen bezogen, von Anfang an auf verlorenem Posten. Eine Abwehrschlacht gegen das offenkundig Richtige lässt sich nicht gewinnen.

Und daher ist die Vorhersage, dass bald auch andere überholte Tabus gebrochen werden, zwar optimistisch, aber nicht unrealistisch. In New York gab’s früher ebenfalls Graffiti und Hundekot, durch eine drakonische Bestrafung der Sünder bekam man das in den Griff. Es ist alles eine Frage des Willens. Das gilt zuletzt für den Videobeweis im Profifußball. Wer ihn ablehnt unter Verweis auf die Tradition des Spiels – „Fehlentscheidungen gehören dazu“ –, flüchtet in ein Dogma. Schade nur, dass Dogmen oft viele Anhänger haben.

Das Neue ist nicht an sich gut. Es muss begründet werden. Aber wenn das geschieht, hilft den bewahrenden Kräften kaum eine Tradition aus ihrer Erklärungsnot.

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