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Kommentar: Die S-Bahn muss wieder fahren

Jetzt sollen Busse an Stelle der S-Bahn fahren. Doch weder Freifahrten als Entschädigung noch ein Ersatzverkehr mit ein paar Bussen reicht aus. Die Berliner wollen, dass die S-Bahn endlich wieder fährt.

Fühlt sich an wie Kalter Krieg. Weil sich damals die West-Berliner weigerten, mit der von der DDR betriebenen S-Bahn zu fahren, baute die West-BVG einen Parallelverkehr auf. Das soll es nun wieder geben, sagt Klaus Wowereit, ein Kind des ummauerten West-Berlins. Das Bundesverkehrsministerium wiederum kündigt Investitionen von zwei Milliarden Euro für den Kauf von bis zu 600 neuen S-Bahn-Wagen an. Wenn das keine gute Nachricht ist am Ende einer katastrophalen Woche für alle Menschen, die auf die S-Bahn angewiesen sind. Kleiner Schönheitsfehler: Geld will der Bund nicht geben, bezahlen soll die Bahn. Die aber überlegt noch. Der Regierende Bürgermeister hat seinerseits noch nicht verraten, wo die Busse und das Personal für den Alternativverkehr so schnell herkommen. Es könnte sein, dass es mit der Nothilfe für Berlin nicht mehr so schnell geht wie im August 1961, nach dem Mauerbau, als andere Bundesländer ganz fix Busse und Personal schickten. Könnte auch sein, dass ein solcher Vorschlag mehr mit Wahlkampf zu tun hat als mit einem realistischen Ersatzverkehr? Schließlich hat auch die BVG derzeit Probleme, ihre Fahrgäste störungsfrei und pünktlich zu bedienen.

Muss man nicht trotzdem froh sein, dass sich endlich etwas bewegt, nach diesem Fast-Stillstand eines Nahverkehrssystems, das einst für seine Verlässlichkeit gerühmt wurde? Denn immerhin müssen die Menschen schon zwei Jahre erleiden, was Bundesregierung, Bahn-Vorstand und Berlins Landesregierung zu verantworten haben. Die Berliner S-Bahn war für die Bahn-Chefs eine Versuchsanordnung, wie weit man ein Verkehrssystem im Namen des Profits herunterfahren kann. Die Bundesregierung wiederum verlangt von der Bahn aktuell eine Gewinnabführung von 500 Millionen Euro – und lässt außer Acht, dass ein funktionierender Nahverkehr zur Daseinsvorsorge einer Millionenstadt gehört. Und Berlins Landesregierung hat sich einen Vertrag aufschwatzen lassen, dessen Bruch die Bahn zu wenig schmerzt, um besser zu werden.

Was als Investitionen angekündigt wird, kann als Mogelpackung enden. Immerhin ist die Bahn schon jetzt verpflichtet, einen Teil des Wagenparks zu erneuern. Gezeigt hat sich aber, dass es insgesamt mehr Wagen geben muss, um einen verlässlichen Verkehr zu gewährleisten. Doch auch dann dauert es lange, die S-Bahn wieder auf die richtige Schiene zu bringen – nach vielen Jahren, in denen Personal reduziert, Wagen verschrottet und Werkstätten dichtgemacht wurden.

Kampflos gibt die Bahn den Auftrag für den S-Bahn-Betrieb nicht auf – Geld wird nämlich nicht auf den ICE-Strecken verdient, sondern im Nahverkehr. Wenn 2017 ein neuer Vertrag ansteht, dann will die Bahn in einer starken Position gegenüber anderen Konkurrenten sein. Nur sie hat einen Wagenpark, der auf das in Deutschland einzigartige technische System zugeschnitten ist. Mancher argwöhnt deshalb, dass die Bahn in der gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Berlin und Brandenburg alles tun wird, die Anforderungen so zu formulieren, dass nur sie die Ausschreibung gewinnen kann.

Zwei Jahre hat der rot-rote Senat eher zaghaft und hilflos die Krise begleitet; Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer hat vielfach verkündet, dass es ihr jetzt reicht mit der Bahn. Das war aber auch schon alles. Wo also soll Vertrauen herkommen? Die Berliner wollen keine Freifahrten als Entschädigung, keinen Ersatzverkehr mit ein paar Bussen; sie wollen, dass die S-Bahn endlich wieder fährt.

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