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Der SPD-Chef Sigmar Gabriel wird in der großen Koalition Wirtschafts- und Energieminister.

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Kommentar: Die zukünftige Macht-Poker-Koalition

Sigmar Gabriel hat mit dem Ergebnis des Mitgliedervotums ein politisches Bravourstück vollbracht. Doch machtpolitische Kämpfe im Kabinett sind vorprogrammiert - und der Wettstreit ist bereits eröffnet. Und das ist gar nicht mal so schlecht.

Und jetzt haben es alle gewusst, dass Sigmar Gabriel ein Großer ist. Vorher, lange vor dem Mitgliedervotum, war er der „Harzer Roller“ oder „Siggi Pop“, galt als unstet und nicht berechenbar. Jetzt, nach der Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag mit der Union, ist alles anders. Oder?

Erst einmal ist die Zustimmung nicht ganz so groß, wie die knapp 76 Prozent „Ja“ glauben machen. Es waren doch viele unter den 474 820 Mitgliedern, die sich nicht beteiligen wollten, neben den nicht wenigen, die gegen eine große Koalition gestimmt haben. Die wollen alle auch noch überzeugt werden. Das ist die innerparteiliche Seite. Sie wird Gabriel weiter unter Druck setzen. Hinzu kommt aber nun die innerkoalitionäre Herausforderung.

Warum Konkurrenz im Kabinett vorprogrammiert ist

Mag der SPD-Chef auch ein machtpolitisches Bravourstück abgeliefert haben – es ist ein vergleichsweise kleines Stück von dem, was nötig ist, um die SPD aus dem Zwanzig-Prozent-Turm wieder zur strukturellen Mehrheitsfähigkeit zu führen. Davon ist sie ungeachtet des Votums vom Samstag weit entfernt. Und der Wettbewerber wird geführt von einer, die in Sachen Machtpolitik schon manches größere Bravourstück vorzuweisen hat: Angela Merkel.

Der Anfang ist spannend. Gabriel ist weit näher an die Augenhöhe herangekommen, als viele in und außerhalb der Partei ihm zugetraut haben. Darum bleibt der Kampf in der SPD-Spitze ausgesetzt; bis zum ersten Fehler. Doch ist Merkel noch ein anderes Kaliber. Die Kanzlerin ist nicht bloß beliebt bei den Wählern, beliebter als alle in der SPD. Sie stellt noch dazu ihren Teil des Kabinetts in einer Weise auf, dass es zu einem Wettbewerb untereinander kommen wird – einem wünschenswerten. Qualität muss sich durchsetzen.

Da steht beispielsweise Frank-Walter Steinmeier, so versiert er ist, in der Außenpolitik nicht nur im Schatten der Kanzlerin. Er wird zusätzlich gefordert durch Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin, dem ersten weiblichen „Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt“. Sie bietet damit international mehr auf als eine Division Papiere und kluger Köpfe. Hinzu kommt: Leyen ist buchstäblich ein Kind Europas, dort und transatlantisch bestens vernetzt, spricht in jeder Hinsicht die Sprache der wichtigsten Verbündeten. Und sie hat immer einen Plan; oft sogar einen, gegen den Sozialdemokraten nichts einwenden können. Nur Mutter der Kompanie wird Leyen nicht sein. Schafft sie dieses Amt, dann auch jedes andere. Wie weiland Helmut Schmidt

Wie Angela Merkel mit ihrem Personal taktiert hat

Merkel baut nebenbei durch Umbau vor. Das erinnert an die Methode Seehofer. Leyen kann sich bewähren, Thomas de Maizière sich im Innenressort wieder erholen. Peter Altmaier als Hofmeier kann ihr neuen Spielraum verschaffen, noch mehr das zu sein, was sie ausweislich des Wahlsieges zunehmend ist – Kanzlerin aller Deutschen. Und wenn sie das mal nicht mehr will, dann ist das Präsidentenamt auch nicht mehr weit. Apropos Horst Seehofer: Indem der CSU- Fürst den schlauen Alexander Dobrindt für die gesamte gesellschaftliche Mobilität – von Menschen, Gütern, Daten – ins Kabinett setzt, hat er die SPD flugs mit einem der wichtigsten Zukunftsthemen konfrontiert.

Darum muss Sigmar Gabriel ein Meisterstück schaffen. Soll es gelingen, muss er die SPD vier Jahre in der Koalition halten, die gefährlich schwierige Energiewende bewerkstelligen und die übrigen SPD-Minister zu Höchstleistungen motivieren. Der Wettstreit um Exzellenz ist eröffnet.

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