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Kommentar: Krank machende Kliniken

Gesundheitsminister Philipp Rösler fordert zusätzliche Hygienevorschriften, am besten bundeseinheitlich statt wie bisher im Länderrecht zersplittert. Ob solche Regelungen  wirklich helfen werden, ist fraglich.

Drei Babys sind an der Mainzer Uniklinik gestorben, vermutlich infolge verunreinigter Infusionslösungen. Die Fälle sind auch deshalb so erschütternd, weil die Kinder den Tod an einem Ort fanden, an dem ihnen eigentlich geholfen werden sollte. Fieberhaft wird nun nach der Ursache gefahndet. Zugleich überschlagen sich die politischen Vorschläge und Forderungen, wie man solche Tragödien in Zukunft vermeiden könne. Und plötzlich rückt mit der Krankenhaushygiene ein Thema ins Zentrum der öffentlichen Diskussion, das sonst eher ein Schattendasein führt. Keine Klinik wird gern mit Infektionen in Verbindung gebracht, die sich ihre Patienten zugezogen haben, statt mit glorreichen neuartigen Therapien oder revolutionären Operationsverfahren.

In Deutschland werden jedes Jahr fast 18 Millionen Menschen im Krankenhaus behandelt. Rund 500 000 Menschen ziehen sich dabei eine Infektion zu, 10- bis 15 000 sterben an ihr, schätzt die Infektionsexpertin Petra Gastmeier von der Berliner Uniklinik Charité. Mehrere Gründe erklären diese hohen Zahlen: Die Patienten werden immer älter, ihr Immunsystem ist häufig geschwächter, die Operationen oft komplizierter, Behandlungsverfahren eingreifender und für den Organismus belastender. Über Beatmungsschläuche, Harnblasenkatheter, Operationswunden oder Infusionsnadeln breiten sich krank machende Keime im geschwächten Körper aus. In einem ansonsten intakten Organismus dagegen hätten die Mikroben kaum eine Chance. Jeder Mensch beherbergt in seinem Körper zehnmal so viele Mikroorganismen, wie er selbst Körperzellen hat. Beim Gesunden sind Billionen von Bakterien kein Problem, einen chronisch Kranken können wenige von ihnen umbringen.

Die hohen Infektionszahlen im Krankenhaus sind also auch ein Tribut an die moderne Hochleistungsmedizin. Sie lassen sich häufig nicht vermeiden. Nicht hinter jeder Infektion auf der Intensivstation steckt menschliches Versagen. Aber immerhin jeder dritte Todesfall durch eine Krankenhausinfektion wäre vermeidbar. Das ist noch immer viel zu viel. Hier gilt es anzusetzen. Aber wie?

Gesundheitsminister Philipp Rösler fordert zusätzliche Hygienevorschriften, am besten bundeseinheitlich statt wie bisher im Länderrecht zersplittert. Natürlich ist es gut, wachsam zu sein und den Kliniken kritisch auf die Finger zu sehen. Ob solche Regelungen aber wirklich helfen würden, ist fraglich. Wenn Rösler einfach nur mehr Bürokratie sät, wird er eher Unwillen und Gleichgültigkeit ernten. Besser wäre es, die Hygiene in den Krankenhäusern systematisch zu fördern, etwa in der Aus- wie in der Weiterbildung der Ärzte und Krankenschwestern. Hände waschen und desinfizieren kann Leben retten – wer im Krankenhaus arbeitet und sich diesen Satz stets vor Augen hält, wird ganz sicher etwas für die Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten tun. In Großbritannien konnte mit der Aktion „Säubere deine Hände“ die Zahl der Infektionen mit gefährlichen Krankenhauskeimen deutlich gesenkt werden. Hygiene beginnt im Kopf, nicht in ministeriellen Formularen und Vorschriften.

Damit sollen natürlich die Krankenhäuser nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Viele Kliniken beklagen zwar nicht zu Unrecht den Kostendruck, aber das kann keine Ausrede sein. Zur Zeit gibt es in Deutschland etwa 75 Hygienefachärzte – bei 2000 Krankenhäusern. Wenn Rösler es mit der Sauberkeit ernst meint, sollte er den Kliniken helfen, diese Aufgabe ernster zu nehmen.

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