zum Hauptinhalt

Kommentar: Milch im Getriebe

Was kann, was darf man den Landwirten zumuten? Kann man von ihnen dasselbe verlangen wie von anderen Unternehmern, die Angebot und Nachfrage beachten müssen? Es ist zu viel Milch auf dem Markt, deshalb schütten die Landwirte sie weg, um sie künstlich zu verteuern. Doch das ist natürlich nur eine Scheinlösung.

Langfristig führt kein Weg daran vorbei, dass sich auch die Agrarwirtschaft weiter an den Markt anpasst – freilich unter besonderen Voraussetzungen.

Es ist nun einmal nicht dasselbe, wenn ein Handyhersteller einen Standort schließt und wenn ein Landwirt seinen Betrieb aufgeben muss. Da die Bauern einen besonderen Beitrag zur Landschaftspflege leisten, wäre es nicht nur kaltherzig, ein massenhaftes Höfesterben – insbesondere bei den Bauern, die keine Alternative zur Milchviehhaltung haben – in Kauf zu nehmen. Es wäre auch ökologisch widersinnig.

Die deutschen Milchbauern verlangen vom Handel einen Preis von 43 Cent pro Liter. Der Handel wiederum steht unter dem Druck der Verbraucher – und die knausern gerade in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bei den Lebensmitteln. Hierzulande gilt: Nicht die Milch macht’s, sondern Geiz ist immer noch geil. Zudem machen die hohen Energiepreise den Milchbauern das Leben schwer – für viele rentiert es sich kaum noch, ihr Produkt bei den Molkereien abzuliefern.

Es gibt also objektive Gründe für den Milchstreik der Bauern. Dennoch wird in ihrem Protest auch deutlich, dass sie sich vom alten Wunschgedanken immer noch nicht verabschiedet haben – dem Wunsch nach Garantiepreisen, festen Quoten, sicheren Subventionen. Die Europäische Union sucht schon seit Jahren einen anderen Weg. Auch Brüssel ist sich der ökologischen Bedeutung der Landwirtschaft bewusst – deshalb wird der Anteil der Agrarsubventionen am Gesamtetat der EU auch nur behutsam heruntergefahren. Zudem zielen die Reformpläne der Agrarkommissarin Fischer Boel vor allem auf Beihilfen für Großbetriebe, etwa in Ostdeutschland. Den kleineren Betrieben, die auch jetzt unter dem Überfluss auf dem Milchmarkt leiden, will Brüssel auch weiter unter die Arme greifen.

Die Großunternehmer unter den Landwirten können allerdings nicht länger die Augen davor verschließen, dass sie bei ihrer Produktion noch mehr den Weltmarkt im Blick haben müssen. Spätestens im kommenden Jahrzehnt, wenn die Brüsseler Reformpläne in Kraft treten, werden sie sich weiter umstellen müssen. Selbst in Frankreich, dem Mutterland der Agrarsubventionen, bereitet Präsident Sarkozy die Landwirte schon auf große Einschnitte bei der Förderwirtschaft vor. Es ist richtig, wenn die Politik die Landwirte künftig fordert – und nötigenfalls fördert.

Zur Startseite