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Gut bewacht: das Congress Hotel in Davos, in dem ab heute das Weltwirtschaftsforum stattfindet

© REUTERS

Kommentar zum Forum in Davos: Die globale Wirtschaft läuft nicht ganz so schlecht

Die Welt nicht vor der wirtschaftlichen Apokalypse. Probleme gibt es trotzdem. Ein Kommentar zum Weltwirtschaftsforum im schweizer Davos.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Parolen in Moll schallen aus dem Tal von Davos, wo sich ab heute wieder rund 1000 Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft treffen, um nach Lösungen zu suchen, die „den Zustand der Welt verbessern“, wie ihr offizieller Arbeitsauftrag lautet. Vom Internationalen Währungsfonds (IWF) über die Energieagentur (IEA) und die Arbeitsorganisation (ILO) bis zu den Globalisierungsskeptikern von Oxfam: Alle bieten Statistiken, die ihre jeweilige Agenda stützen.

Für die würde sich in einer Welt, die auf dem richtigen Weg ist, niemand interessieren. Insofern gilt es, griffige Formulierungen wie etwa die Warnung vor einer „Entgleisung des Wachstums“ (IWF) oder dem Ölmarkt, „der im Überangebot ertrinken könnte“ (IEA), mit dem nötigen Abstand zu bewerten.

Das ist kein Schönreden, nur eine nötige Relativierung

These: Es läuft nicht ganz so schlecht. Bis auf gewichtige Ausnahmen wie Brasilien und Russland, wo die Wirtschaftsleistung aus ganz speziellen Gründen schrumpft, befindet sich die Welt auf dem Weg zu mehr Wachstum und Wohlstand. Der IWF erwartet ein Wachstum in Höhe von 3,4 Prozent im globalen Schnitt, 0,2 Prozentpünktchen weniger als vorhergesagt. Und das bevölkerungsreichste Land China, das aktuell als Kronzeuge für eine neue Finanzapokalypse herhalten soll, vermeldet ein Wirtschaftswachstum von 6,9 Prozent. Auch wenn es tatsächlich nur zwei bis vier Prozent sein dürften, wie unabhängige Experten vermuten: Dieses Land wird sich kaum aufhalten lassen auf der Suche nach Fortschritt und Wohlstand. China wächst.

Das ist kein Schönreden, nur eine nötige Relativierung. Das vorherrschende Wirtschaftssystem ist auf den globalen Austausch von Waren und Kapital ausgerichtet. Die Hüter dieses Systems, davon sind viele in Davos anwesend, haben Verteilungsprobleme lange ausgeblendet oder zumindest billigend in Kauf genommen, dass sich das Vermögen auf wenige Individuen und Eliten konzentriert. Das ist ungerecht und damit Motivation wie Legitimation für 90 Prozent der Menschen, die nur mittelbar oder gar nicht vom Wachstum der Wirtschaftsleistung profitieren, Reformen einzufordern. Und doch: Die Zahl der Hungernden sinkt wie die Sterblichkeitsraten bei Neugeborenen. Warum eine Beschränkung des Welthandels, ein Abbau der Globalisierung, die Welt besser machen sollte, ist schlecht zu begründen.

Die aktuelle Krise der Schwellenländer ist eine Folge der Weltfinanzkrise ab 2008: Kapital, das westliche Börsenplätze aufgebläht hatte, strömte in die aufstrebenden Länder. Nun strömt ein Teil davon zurück – in die USA, das sich mittlerweile von Ölimporten unabhängig gemacht hat und sukzessive die Leitzinsen anhebt, was Anleger lockt. Die Welt findet sich. Deutschland profitiert von den im Euro-Raum noch niedrigen Zinsen, seiner Exportstärke und dem billigen Öl. Diese günstige Konstellation wird nicht ewig bestehen. Auch darum ist es aus Sicht Deutschlands und der USA sinnvoll, Maßnahmen zu unterstützen, die den „Zustand der Welt verbessern“. Das geht nicht mit weniger wirtschaftlicher Aktivität. Aber mit mehr Verteilungs- und Steuergerechtigkeit, Transparenz und standardisierten Handelsregeln.

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