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Meinung: Kommunalwahlen in Frankreich: Mehr Grün in der Trikolore

Und doch keine "rosa Welle". Die regierende Linke hat nach der ersten Runde der Kommunalwahlen in Frankreich zwar gute Chancen, zum ersten Mal nach über hundert Jahren das Pariser Rathaus zu erobern.

Und doch keine "rosa Welle". Die regierende Linke hat nach der ersten Runde der Kommunalwahlen in Frankreich zwar gute Chancen, zum ersten Mal nach über hundert Jahren das Pariser Rathaus zu erobern. Auch in Lyon und Toulouse scheint ein Machtwechsel zu den Sozialisten und ihren Verbündeten möglich. Von einem Genossen Trend kann jedoch keine Rede sein. Dafür sind die Schlappen, die Arbeitsministerin Elisabeth Guigou in Avignon und Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot in Béziers erlitten haben, zu eindeutig.

Auch wenn der zweite und der dritte Wahlgang - die Kür der Bürgermeister durch die Ratsherren - noch ausstehen: Einige Verschiebungen zeichnen sich ab. Etwa der Niedergang der extremen Rechten und der Aufstieg der Grün-Alternativen. Noch vor fünf Jahren, bei der letzten Kommunalwahl, schien der "Front National" unter Nationalistenführer Jean-Marie Le Pen unaufhaltbar. Er eroberte die Hafenstadt Toulon und schickte sich an, in Marseille, Lyon und Paris ein Wörtchen mitzureden. Das ist vorbei. Nur in Lyon mischt der halbseidene Ex-Verteidigungsminister Charles Millon noch mit, der sich den Rechtsextremen wiederholt als Machtbeschaffer angedient hat.

Umso mehr fällt die "grün-alternative Welle" ins Auge. In Paris haben die Grünen in manchen Bezirken mehr als 20 Prozent geholt, obwohl ihr Lieblingskandidat Dany Cohn-Bendit auf die zunächst geplante Kandidatur verzichtet hat. In Toulouse erreichte eine zuvor unbekannte alternative Liste auf Anhieb 12 Prozent. Selbst in der Sozialistenhochburg Lille melden die Grünen ein gutes Ergebnis. Eine Ausnahme macht nur Dominique Voynet, die mehr blasse als grüne Umweltministerin. Sie scheiterte im ostfranzösischen Dole am konservativen Milieu der BSE-geplagten Bauern und der grünenfeindlichen Jäger.

Sollte sich der Vormarsch der Grünen und der Niedergang der Braunen beim zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag bestätigen, könnte dies Konsequenzen für die Präsidentschaftswahl 2002 haben. In der "pluralen Linken" des Premierministers Lionel Jospin deutet sich eine Verschiebung des Machtgleichgewichts an: Die Grünen legen zu, die Kommunisten verlieren an Einfluss. Die alte Arbeiterklasse ist in Frankreich fast völlig verschwunden, eine neureiche Mitte der "Bobos" ("Bohème bourgoise") breitet sich in den Großstädten aus. Jospin wird diesen Trend berücksichtigen. Umweltthemen werden auch in Frankreich immer wichtiger, wie nicht zuletzt die BSE-Krise beweist.

Der Niedergang der extremen Rechten muss Präsident Jacques Chirac zu denken geben. Frankreich löst sich aus der krisenhaften Verspannung der 80er und 90er Jahre, auch auf der Rechten kommen neue Themen auf. Wenn Chirac den Zeitgeist richtig wittert - und das ist seine Stärke -, kann er selbst die drohende Niederlage in Paris wegstecken.

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